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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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mit wallendem Haar und zeltartigem Batikkleid.
    »Das ist der Blog von Ida Freichl. Darin beschreibt sie ihr
abwechslungsreiches Leben. Wenn man die Geschichten überfliegt, gewinnt man
allerdings den Eindruck, dass sie eine etwas unstabile Persönlichkeit ist.
Nicht alles, was sie schreibt, wirkt hundertprozentig glaubwürdig.«
    Auf dem Monitor scrollten schlecht gemalte Bilder vorbei und weitere
Aufnahmen von Ida Freichl in verschiedenen Lebensabschnitten, begleitet von
gewaltigen Textmengen.
    »Das hat wahrscheinlich dazu geführt, dass einige ihrer Klagen nie
ernsthaft Gehör fanden.«
    Petzold hielt die Seite an. Eine fette Überschrift titelte:
    »Meine Missbrauchserlebnisse im Kinderheim Mariabitt.«
    Als Freund den Artikel zu lesen begann, verstand er Petzolds
Skepsis. Wie die Form doch die Wahrnehmung des Inhalts beeinflussen konnte.
Ohne zu wissen, warum, empfand er die Person als unsympathisch. Deshalb schien
sie ihm aber nicht zwingend unglaubwürdig. In unbeholfenem und teils
schwülstigem Stil beklagte sie angeblichen jahrelangen sexuellen Missbrauch
durch den damaligen Heimleiter Gottfried Mandtner und andere Männer, denen er
sie zugeführt haben soll. In ebenso langen Textsuaden prangerte sie die
Untätigkeit der Justiz an. Niemand wollte ihr glauben und ihre Anzeigen
bearbeiten, alles war im Sand verlaufen. Deshalb nutzte sie jetzt, Jahrzehnte
später, das Internet, um die Öffentlichkeit zu unterrichten. Wie das zwei Jahre
zurückliegende Datum am Ende des Beitrags zeigte, wieder ohne Erfolg.
    Erneut griff die Inspektorin Freund in die Tastatur und gab eine
andere Internetadresse ein. Wieder erschienen Texte auf dem Bildschirm, in
denen Freund die Worte »Kind« und »Missbrauch« erkannte. Die Erläuterungen
lieferte Petzold gleich dazu und ersparte ihm das Lesen.
    »Es gibt noch zwei andere ehemalige Heimkinder aus Mariabitt, die
solche Geschichten berichten. Petra Tarnstein und Martin Tarosch. Steht alles
in diesen Archivartikeln. Wie bei Ida Freichl ist das Problem, dass sie sich
seit Langem in psychiatrischer Behandlung befinden beziehungsweise befanden,
was ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigte. Mit Anzeigen am hartnäckigsten war
Petra Tarnstein. Sie schaffte es sogar, dass ein Prozess geplant war, beging
davor dann aber Selbstmord.«
    Für einen Moment streifte Freund das flüchtige Gefühl eines
Déjà-vus, als hätte er etwas von dem, was Petzold da erzählte, schon einmal
gehört. Doch Petzold redete, und Freund überflog die Texte, und die Empfindung
verblasste so schnell, wie sie aufgetaucht war. Die Ähnlichkeit mit Bliloreks
Aussagen zum Verhalten von Opfern, Tätern und Umwelt war verblüffend. Die einen
galten als unglaubwürdig, die anderen als zu angesehen, und der Rest wollte von
nichts etwas wissen. Alle drei klagten den ehemaligen Heimleiter Mandtner und
Männer in seinem Umfeld an, deren Namen sie nicht kannten. In keinem Fall war
es zu Prozessen oder gar Verurteilungen gekommen.
    »Selbstmord der Hauptbelastungszeugin kurz vor dem Prozess«, dachte
Freund laut. »Wie praktisch.«
    Unwillkürlich wechselten sie einen Blick, in dem Freund erkannte,
dass Petzold Ähnliches dachte. Er erzählte ihr von Bliloreks Theorie.
    »Passt«, bemerkte sie.
    »Glauben wir den dreien?«, fragte er Petzold und wusste die Antwort
bereits.
    Aus ihrem heilen und dem verschwollenen Auge sah Petzold ihn lange
nachdenklich an, bevor sie antwortete: »Ich würde es so ausdrücken: Ich glaube
ihnen nicht nicht.«
    So kompliziert hatte er die direkte Petzold noch nicht erlebt.
Wollte auch sie sich ein heiles Bild nicht zerstören lassen?
    »Dann sollten wir uns diese Listen sofort ansehen. Vielleicht waren
sie nicht die Einzigen.«
    Eigentlich hatte Wagner ihn mit anderen Aufgaben überhäuft. Das
hatte er davon, dass er die angebotene Auszeit nach vergangener Nacht nicht
angenommen hatte. Vom Sokoleiter zum Dienstboten.
    »Können Sie tippen?«
    Petzold lockerte demonstrativ ihre Finger.
    »Jeder nimmt einen Ordner«, bestimmte Freund und reichte Petzold
gleich den oberen.
    Petzold nahm ihn in Empfang und erklärte: »Das sind die Spender und
das Personal. In Ihrem befinden sich also die Kinder.«
    Freund nickte. »Der Computer im Nebenzimmer ist gerade frei. Geben
Sie alle Namen in die Datenbank ein.« Er nannte ihr das Passwort und öffnete
die zweite Mappe.
    Er hatte keine alphabetische Liste von 1945 bis heute erwartet. In
dem Konvolut vor ihm stapelten sich jedoch die

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