Menschenteufel
abgehende Türen führten zu Toilette und
Bad. Eine dritte zu einer modernen, weitläufigen Küche mit Essbereich. Sie war
ebenso leer wie das geräumige Wohnzimmer. Die Luft war stickig. Schon länger
nicht gelüftet, schloss Freund. Ungewöhnlich bei diesem Wetter. Große
Altbaufenster fluteten den Raum mit Licht. Die Einrichtung wirkte modern und
gemütlich. Von dort gelangten sie in ein Schlafzimmer mit ungemachtem Bett.
Ebenso verlassen fanden sie das kleine Arbeitszimmer auf der anderen Seite des
Wohnzimmers.
Freund zückte das Handy und informierte Wagner.
Lia Petzold hielt sich im Hintergrund. Ihr Erklärungsstirnband
verschonte sie vor dummen Fragen. Nur wenige Minuten nach ihnen waren Wagner
und Obratschnik mit zehn Mann und einem Team der Spurensicherung angerückt.
Seither herrschte in der Wohnung von Doktor Norman Bodert Chaos. Schnell war
klar, dass die Taten nicht hier begangen worden sein konnten. Obratschnik
stritt mit Freund wegen dessen Alleingangs. Nun gab er Anweisungen und schickte
einen der Männer nach dem anderen damit fort. Boderts Leben musste auf den Kopf
gestellt werden. Kollegen befragen, Verwandte, Freunde, ehemalige Studien-,
Heim- und Schulfreunde ausfindig machen und interviewen, mögliche
Zweitwohnsitze finden. Auf dem Weg hinaus fing Freund einige Kollegen ab und
gab ihnen heimlich ein paar Worte mit auf den Weg. Nach einer Viertelstunde
waren alle bis auf das Kernteam und die Spurensucher wieder verschwunden.
Einige klapperten bereits die Hausbewohner ab. Andere sorgten auf der Straße
für Ruhe und Absperrungen. Die Fahndung lief. Gegenüber der Öffentlichkeit galt
vorerst völlige Nachrichtensperre.
Zwei der Techniker waren mit dem Hausmeister zu Boderts Kellerabteil
geschickt worden. Eine dicke Staubschicht machte ihnen schnell deutlich, dass
sich dort seit Monaten niemand aufgehalten hatte.
»Wir sollten alle Streichelzoos und Kleintiergehege beschatten
lassen«, schlug Oberinspektor Freund den Sokoleitern vor. Bodert hatte keine
Tiere mehr für seine Operationen. Falls er weitermachen wollte, benötigte er
Nachschub.
Um nicht nutzlos im Weg zu stehen, untersuchte Petzold jene Teile
noch einmal, die von den Technikern bereits auf Fingerabdrücke und andere
Spuren getestet worden waren. Die Zeitungen etwa, die vor der Tür gelegen
hatten. Das älteste Datum lag acht Tage zurück. Wenn Petzold sich korrekt an
Freunds Erzählungen erinnerte und richtig rechnete, war das zwei Tage nach dem
Verschwinden der ersten Opfer. Sie stöberte in der Küche. Sehr aufgeräumt und
ordentlich. Laut der langsam eintrudelnden Informationen war Bodert
Junggeselle. Wahrscheinlich beschäftigte der Arzt eine Putzfrau. Einen
Singlemann, der seine Wohnung allein so sauber und aufgeräumt hielt, hatte
Petzold noch nie kennengelernt. Im Müllsack unter dem Abwasch fanden sich
allerdings Reste. Auch der Altpapiersack daneben war voll. Sie förderte ältere
Zeitungen zu Tage. Bodert hatte Die Presse abonniert. Zu ihrer Überraschung
fand Petzold dazwischen auch ein Exemplar der kleinformatigen Kronenzeitung.
Die Ausgabe war älter als eine Woche und kam Petzold bekannt vor, obwohl sie
die Krone selten las. Stirnrunzelnd blätterte sie durch. Auf Seite elf stockte
sie. Die obere Hälfte fehlte. Unterhalb eines sauberen Schnitts enthielt die
Restseite Nachrichten aus Wien.
Schnell blätterte Petzold die Presseausgaben durch. Aus keinem hatte
Bodert einen Artikel getrennt. Nur aus der Krone. Als Petzold das Datum las,
erstarrte sie. Die Ausgabe stammte vom Tag nach dem Überfall auf Doktor Colin
Short. Petzold erinnerte sich: Wegen des Redaktionsschlusses hatten die anderen
Zeitungen erst einen Tag später berichtet. Aufgeregt sah sie Seite für Seite
noch einmal an. Da war kein Artikel. Es sei denn, er hatte sich genau auf dem
ausgeschnittenen Teil befunden. Irrte sie sich? Das musste sie sofort wissen.
Wozu befand sich wenige Straßen weiter eine Journalistin, die
wahrscheinlich hektisch einen Artikel in ihr Aufnahmegerät diktierte, den sie
noch nicht veröffentlichen durfte? Eigentlich hatte Petzold Doreen vor der
Polizeizentrale von weiteren Chauffeursdiensten entbunden. Doch Doreen hatte
darauf bestanden, in einem nahen Kaffeehaus auf Petzold zu warten. Sicher
wartete sie nicht weit entfernt. Kurz entschlossen rief Petzold an.
»Nein, ich kann dir jetzt nichts sagen. Du musst etwas für mich
herausfinden, und zwar pronto , bitte.«
»An solche Zufälle glaube ich nicht«, antwortete
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