Menschliche Einzelteile (German Edition)
Du
sagst mir jetzt, ob dein Opa irgendetwas von einem Datenträger
erwähnt hat. Einem USB-Stick, einer CD oder einer DVD. Wenn du
mich anlügst, dann schneide ich dir die Finger ab. Einen nach
dem anderen. Dann kommen deine Ohren an die Reihe. Und dann schauen
wir uns den Aufbau deiner Ellbogen genauer an.“
Der
Kleine riss die Augen auf und kreischte los: „Mann, du bist
doch echt zu blöd! Bevor der ganze Quatsch hier losging, habe
ich dir doch schon gesagt, dass mein Opa die Daten nicht mehr hier
hat. Der hat sie einem Bekannten gegeben, der bei der Bank arbeitet.
Mehr habe ich auch nicht mitbekommen, du dummer Idiot!“
Der
Junge klang zwar wie eine Kreissäge auf vollen Touren, doch Max
blieb gelassen. Mit einer geübten Bewegung zog er eine seiner
Klingen unter der Jacke hervor. Zack! - und schon war der erste
Finger ab.
Der
Junge kreischte noch etwas lauter. Dann etwas leiser. Dann wieder
lauter.
Es
gab Tage, an denen liebte Maximilian seine Arbeit.
50. Eye of the Tiger
Draußen
kauerten Hubert und seine Mannen unter den Bäumen und linsten
zum Haus hinüber. Dort blitzte es hinter den Fenstern im ersten
Obergeschoss sporadisch auf. Das Knallen der Schüsse und das
Rattern der automatischen Waffen drang mit einer kurzen Verspätung
an die Ohren der Polizisten.
Hubert
konnte sich ein Gähnen nicht verkneifen. Die Geschichte hatte
einen richtigen Hochstart hingelegt, doch nun drohte sie
einzuschlafen. Hubert hatte anfangs einen Riesenspaß erlebt,
als die Schießerei losgegangen war. Die Meldungen hatten sich
im Polizeifunk beinahe überschlagen. Und dauernd wurde jemand
erschossen! Hubert hatte bereits Hoffnung, völlig ohne Zeugen
aus dieser Geschichte herauszukommen.
Und
nun?
Nichts
mehr.
Alles
festgefahren. Nichts ging mehr voran. Offenbar ein Patt. Die
Überreste der Geiselnehmer saßen im ersten Obergeschoss
fest und lieferten sich eine halbherzige Schießerei mit den
übrigen Polizisten. Im Funk herrschte ebenfalls Stille. Und nun
wurde Hubert auch noch müde.
So
konnte es nicht weitergehen. Er musste dringend etwas unternehmen,
um die Situation anzukurbeln. Ansonsten würde er hier
einschlafen, mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt.
Da
dudelte plötzlich ein Mobiltelefon los.
Huberts
Männer schreckten auf und schauten sich um. Hubert erkannte die
Melodie des Klingeltons sofort: „Eye of the Tiger“, der
Titelsong eines dieser Rocky-Filme, die Hubert in den Achtzigern so
unglaublich verehrt hatte. Hubert wusste, wer diesen Klingelton
einsetzte. Er rief: „Göbel, das ist doch ihr
Lamentiereisen, oder nicht?“
Der
Angesprochene stakste zu Hubert und deutete auf die beiden
Streifenwagen. „Ja, das klingt ganz nach meinem
Bereitschaftshandy. Das habe ich im Auto vergessen.“
Hubert
schüttelte den Kopf in gespielter Fassungslosigkeit. „Göbel,
Göbel. Was soll ich nur mit ihnen machen? Da lassen sie einfach
ihr wichtigstes Kommunikationsmittel in einem Kampfgebiet liegen.
Solche Ausrutscher dürfen nicht passieren, verstehen sie?“
Göbel
überlegte einige Sekunden lang. Dann sagt er: „Hm.“
Danach überlegte er einige weitere Sekunden lang. Dann sagte er
erneut: „Hm.“
„ Und
welches Vorgehen schlagen sie zur Lösung der Situation vor?“,
fragte Hubert, ohne auch nur aufzuschauen.
Göbel
dachte angestrengt nach. Schließlich nickte er. Dann atmete er
tief durch und sagte: „Ich denke, mein Fehlverhalten während
des Einsatzes sollte nicht ohne disziplinarische Konsequenzen
bleiben. Ich mache mir hiermit selbst den Vorwurf, in einer
gefährlichen Situation nicht mit der nötigen …“
Weiter
ließ Hubert ihn nicht reden.
„ Meine
Fresse, Göbel! Nur weil sie jedem Idioten, der seinen
Schichtbeginn um zwei Minuten überzieht oder während der
Fahrt im Streifenwagen einen Furz lässt ein
Disziplinarverfahren anhängen wollen, bedeutet das noch lange
nicht, dass sie das nun auch bei sich selbst tun müssen, sie
Hasenhirn! Wenn ich nach einer Lösung dieser Situation frage,
dann meine ich, was sie gegen dieses Gedudel unternehmen wollen,
Mann!“
Göbel
überlegte wieder einige Sekunden lang. Dabei strich er mit der
Hand über seinen Vollbart und zupfte an seiner Säufernase.
Schließlich sagte er: „Ich könnte das Gespräch
natürlich annehmen.“
Erst
jetzt blickte Hubert zu seinem Untergebenen auf und schenkte ihm ein
breites Grinsen: „Göbel, jetzt haben sie es erfasst. Also
hopp, gehen sie schon ran.“
Göbel
nickte und rauschte ab. Dabei konnte
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