Menschliche Kommunikation
zwischenpersönlichen Wirkungen der oft drastischen
Besserung des Patienten. Unserer Erfahrung nach (vgl. Abschnitt
4.44, besonders 4.443) geht eine solche Besserung meist Hand in
Hand mit dem Auftauchen eines neuen Problems oder der Verschlechterung eines bestehenden Zustands bei einem anderen
Familienmitglied. Aus der verhaltenstherapeutischen Literatur
gewinnt man den Eindruck, dass der Therapeut, dessen Bemühungen nur dem individuellen Patienten gelten, die wechselseitige Abhängigkeit der beiden Fälle gar nicht sehen und gegebenenfalls die andere Person wiederum in monadischer Isolierung
behandeln würde.
7.34 Intuitive Psychotherapeuten haben die Technik der Symptomverschreibung seit Langem angewendet. Wenn wir uns nicht
irren, wurde sie in der Literatur zum ersten Mal 1928 von Dunlap
[37, 38] in einem Referat über negative Suggestion erwähnt. Seine
Methode besteht darin, dem Patienten ein bestimmtes Verhalten
zu verbieten, um ihn dadurch zu veranlassen, sich so zu verhalten. Frankl [44, 45] nennt diese Intervention die paradoxe Intention. In der Psychotherapie der Schizophrenien ist diese Technik
ein wichtiger Bestandteil von Rosens direkter Analyse [123]. Er
bezeichnet sie als reductio ad absurdum oder Wiederholung der
Psychose (reenacting thepsychosis); eine gute Beschreibung findet sich in Scheflens [130] ausführlichem Bericht über Rosens
Arbeitsweise. Der Ausdruck Symptomverschreibung (prescribing
the Symptom) wurde zum ersten Mal in Batesons Forschungsprojekt «Familientherapie bei Schizophrenie» verwendet und seine
doppelbindende Natur definiert. Haley [56, S. 25 ff.] z. B. verweist darauf, dass der Gebrauch pragmatischer Paradoxien eine
wichtige Rolle in praktisch allen Formen der Herbeiführung von
Trancezuständen spielt, und gibt viele Beispiele ihrer Verwendung in der Hypnotherapie. Jackson hat über die Verwendung
dieser Methode bei der Behandlung paranoider Patienten [67, 68,
73] referiert, worüber in diesem Kapitel noch näher berichtet
wird. In einem anderen Artikel erörtern Jackson und Weakland
[71] ihre Verwendung in der Familientherapie.
7.4 Therapeutische Doppelbindungen
Symptomverschreibungen sind nur eine Form von verschiedenen
paradoxen Interventionen, die alle unter dem Namen therapeutische Doppelbindungen zusammengefasst werden können. Diese
sind ihrerseits natürlich nur eine Form von therapeutischen
Kommunikationen, und viele andere Methoden werden seit Langem in der Psychotherapie angewendet. Wenn wir uns in diesem
Kapitel auf die Beschreibung paradoxer Kommunikationen
beschränken, so deshalb, weil sie vom Standpunkt der menschlichen Kommunikation die komplexesten und wirksamsten der
uns bekannten Methoden darstellen und weil symptomatische
Doppelbindungen kaum durch etwas anderes als Paradoxien,
Spiele ohne Ende kaum durch etwas anderes als Gegenspiele
(counter-games) [150] gebrochen werden können. Similia similibus curantur - mit anderen Worten, was Menschen zum Wahnsinn treiben kann, muss sie letztlich auch aus dem Wahnsinn herausholen können. Dies soll keineswegs die enorme Wichtigkeit
der menschlichen Haltung des Therapeuten gegenüber seinem
Patienten bagatellisieren oder besagen, dass Entschlossenheit, Verständnis, Aufrichtigkeit, Wärme, Verantwortung und Mitgefühl hier nichts bedeuten und es nur auf Tricks und Taktik
ankomme. Psychotherapie wäre ohne diese menschlichen Qualitäten undenkbar, und es wird im Laufe unserer Ausführungen
klar werden, dass viele herkömmliche Behandlungsmethoden wie
Deutung, Erklärung usw. oft mit doppelbindenden Interventionen zusammen verwendet werden. Was wir aber klarstellen wollen, ist, dass unseres Erachtens die erwähnten menschlichen
Eigenschaften allein den Paradoxien pathologischer Kommunikation nicht gewachsen sind.
Ihrer Struktur nach ist eine therapeutische Doppelbindung das Spiegelbild einer pathologischen (vgl. Abschnitt 6.431):
1. Sie setzt eine enge Beziehung voraus, in diesem Fall die psychotherapeutische Situation, die für den Patienten einen hohen Grad von Lebenswichtigkeit und Erwartung hat.
2. In dieser Situation wird eine Verhaltensaufforderung gegeben, die so zusammengesetzt ist, dass sie a) das Verhalten verstärkt, das der Patient ändern möchte, b) diese Verstärkung als Mittel der Änderung hinstellt und c) eine Paradoxie hervorruft, weil der Patient dadurch aufgefordert wird, sich durch Nichtändern zu ändern. Damit aber kommt er mit seiner Pathologie in
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