Menschliche Kommunikation
sprechen, und es stellte sich heraus, dass er auf diesem Gebiet
gute Gründe für Misstrauen hatte. Indem er aber seinen Verdacht auf etwas konzentriert hatte, das nicht mit seiner Ehe zusammenhing, machte er es sich selbst unmöglich, irgendetwas in Bezug auf
seine wirklichen Sorgen und Zweifel zu unternehmen. Wenn dieser Patient andererseits die Aufforderung zur Durchsuchung des
Behandlungszimmers abgelehnt hätte, so hätte er damit selbst seinen Verdacht entwertet bzw. ihn als eine Idee hingestellt, die nicht
ernst genommen zu werden verdiente. Im einen wie im anderen
Fall konnte er als Folge dieser Doppelbindung seinen Verdacht
der tatsächlich verdächtigen Situation zuwenden.
b) Das folgende Beispiel spielte sich im Rahmen einer klinischen Demonstration ab, die die Möglichkeiten der Herstellung
von Rapport zu autistischen Schizophrenen zeigen sollte. Einer
der Patienten war ein großer, bärtiger junger Mann, der sich in
der Annahme, Gott zu sein, völlig von den anderen Patienten und
vom Personal fernhielt. Sofort nach Betreten des Vorlesungssaals
schob er seinen Stuhl demonstrativ fünf Meter vom Vortragenden
weg und ignorierte zunächst jede Frage oder Aufforderung. Der
Psychiater änderte darauf seine Taktik und begann, den Patienten
zu warnen, dass seine Idee, Gott zu sein, gefährlich sei, weil er
dadurch sehr leicht in ein falsches Gefühl von Allwissenheit und
Allmacht gelullt werden und es daher versäumen könnte, auf der
Hut zu sein und scharf auf alles aufzupassen, was um ihn herum
vorgehe. Er überließ es dem Patienten, dieses Risiko auf sich zu
nehmen, da ausschließlich er darüber zu entscheiden hatte; wenn
er wie Gott behandelt zu werden wünsche, so sei der Arzt bereit,
sich dementsprechend zu verhalten. Während der Vorbereitung
dieser Doppelbindung schien der Patient immer nervöser und
gleichzeitig neugieriger zu werden. Der Psychiater holte dann
den Abteilungsschlüssel aus seiner Tasche, kniete vor dem Patienten nieder und bot ihm den Schlüssel mit der Bemerkung an, dass
ihn der Patient zwar nicht brauche, da er ja Gott sei, dass er aber
den Schlüssel weit mehr als der Arzt verdiente, wenn er Gott
wäre. Der Psychiater war kaum zu seinem Tisch zurückgekehrt,
als der Patient von seinem Stuhl aufsprang, zum Tisch kam und
sich vor den Arzt hinsetzte. Dann beugte er sich vor und sagte ernst und mit wirklicher Besorgnis: «Mensch, einer von uns beiden ist verrückt.»
Beispiel 2: Nicht nur die psychoanalytische, sondern die meisten psychotherapeutischen Situationen enthalten eine Vielzahl
von Doppelbindungen. Die paradoxe Natur der psychoanalytischen Behandlung war bereits Hans Sachs, einem der frühesten
Mitarbeiter Freuds, aufgefallen. Sachs soll gesagt haben, dass eine
Analyse dann zu Ende ist, wenn der Patient einsieht, dass sie endlos weitergehen könnte - eine Bemerkung, die vielleicht eine
mehr als zufällige Ähnlichkeit mit dem Zen-buddhistischen
Lehrsatz hat, dass die Erleuchtung dann kommt, wenn der Schüler begreift, dass es kein Geheimnis gibt, keine Antwort und dass
es daher auch keinen Sinn hat, weitere Fragen zu stellen. Eine
ausführliche Beschreibung der Doppelbindungen in der Übertragungssituation findet sich bei Jackson und Haley [72], deren
Untersuchung hier kurz zusammengefasst sei.
Es wird üblicherweise angenommen, dass der Patient in der
Übertragungssituation zu früheren, jetzt unangepassten Verhaltensweisen regrediert. Jackson und Haley gingen an dieses Problem wiederum sozusagen von rückwärts heran und fragten sich:
Welche Verhaltensformen wären der psychoanalytischen Situation
angepasst? So gesehen bestünde die einzig adäquate Reaktion auf
das komplexe Ritual von Sofa, freien Assoziationen, auferlegter
Spontaneität, Honorar, Pünktlichkeit usw. darin, die Situation in
toto abzulehnen. Gerade dies aber kann der Patient, der dringend
Hilfe sucht, nicht tun. Dadurch ergibt sich jedoch eine sehr eigenartige Beziehungsstruktur zwischen Analytiker und Patienten.
Die wichtigsten darin enthaltenen Paradoxien sind die folgenden:
a) Der Patient sieht im Analytiker einen Fachmann, der ihm
natürlich erklären wird, was er tun soll. Der Analytiker dagegen
überträgt die Verantwortung für den Verlauf der Behandlung
dem Patienten und fordert von ihm Spontaneität, während er
gleichzeitig Regeln aufstellt, die das Verhalten des Patienten völlig umschreiben. Der Patient erhält damit praktisch die Anweisung:
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