Menschliche Kommunikation
bewegen. Wie eben erwähnt, scheitert diese Methode zumindest bei symptomatischem Verhalten, da der Patient keine Kontrolle über sein Symptom hat. Die andere Möglichkeit (Beispiele dafür finden sich in Abschnitt 7.5) besteht darin, dem anderen dasjenige Verhalten vorzuschreiben, das er bereits von sich aus an den Tag legt. Im Sinne des über die Paradoxien Gesagten läuft eine solche Aufforderung auf eine «Sei spontan!»-Paradoxie hinaus. Wenn man nämlich aufgefordert wird, sich in einer bestimmten Weise spontan zu verhalten, dann kann man nicht mehr spontan sein, da die Aufforderung die Spontaneität unmöglich macht.' Wenn also ein Therapeut seinem Patienten vorschreibt, sich symptomatisch zu
verhalten, so verlangt er spontanes Benehmen und erwirkt durch
diese paradoxe Aufforderung eine Verhaltensänderung des Patienten. Das Symptom ist nicht mehr spontan; indem der Patient
sich der Aufforderung des Therapeuten unterwirft, tritt er außerhalb des Rahmens seines symptomatischen Spiels ohne Ende, das
bis zu diesem Augenblick keine Metaregeln für die Abänderung
seiner Regeln hatte.
7.32 Die Technik der Symptomverschreibung (als doppelbindende therapeutische Maßnahme) steht in scharfem Widerspruch
zu einer Grundregel psychoanalytisch orientierter Psychotherapie, die direkte Beeinflussung von Symptomen verbietet. Diese
Regel ist in den letzten Jahren aber in zunehmendem Maß in
Frage gestellt worden, und es häufen sich die klinischen Erfahrungsberichte, wonach rein symptomatische Behandlung nicht
notwendigerweise üble Folgen nach sich zieht; allerdings hängt hier viel davon ab, wie an das Symptom herangegangen wird.
Während z. B. kein Zweifel darüber besteht, dass ein Patient mit
Anorexie durch zwangsweise Ernährung deprimiert und suizidgefährdet werden kann, ist dies nicht die Art von therapeutischer
Intervention, die wir hier beschreiben wollen. Es muss ferner
festgehalten werden, dass das Resultat jeder Intervention weitgehend von der wissenschaftlichen Orientierung des Therapeuten
abhängt. So gründet sich z. B. die Methode der sogenannten Verhaltenstherapeuten (Wolpe, Lazarus, Eysenck und anderer) auf
lerntheoretische statt auf psychoanalytische Grundsätze, und
man sorgt sich wenig über die in psychoanalytischer Sicht angeblich schwer wiegenden Folgen rein symptomatischer Besserungen, die nicht aufgrund von Einsicht erzielt wurden. Die Behauptung der Verhaltenstherapeuten, dass nach Behebung eines
Symptoms sich nicht neue und schwerere Symptome bilden und
dass ihre Patienten nicht stärker suizidgefährdet sind als andere,
ist nunmehr so weit unterbaut, dass sie unseres Erachtens ernst
genommen werden muss. Wenn wir einen Patienten anweisen,
sein Symptom absichtlich zu manifestieren, ihm also das Symptom im eigentlichen Sinn «verschreiben», und der Patient im
Laufe der Befolgung dieses Verhaltensrezeptes feststellt, dass er
sich damit von seinem Symptom befreien kann, so ist dies unserer
Meinung nach praktisch gleichbedeutend mit der Wirkung von
Einsicht im Sinne der klassischen Psychoanalyse, obwohl anscheinend keinerlei Einsicht dabei gewonnen wird. Aber selbst im
wirklichen, tagtäglichen Leben begleitet Einsicht nur sehr selten
den ständigen Wandel in uns oder geht ihm gar voraus; viel
häufiger ändern wir uns und wissen nicht, wieso. Was nun die
Rolle von Symptomen in psychotherapeutischer Sicht betrifft, so
würden wir vom Standpunkt der menschlichen Kommunikation
sogar so weit gehen, zu behaupten, dass die meisten Formen von
Psychotherapie dem Symptom viel mehr Aufmerksamkeit schenken, als es rein oberflächlich den Anschein hat. Selbst der Therapeut, der konsequent und absichtlich die Klagen des Patienten
über sein Symptom ignoriert, signalisiert ihm damit in mehr oder weniger unmissverständlicher Weise, dass es vorläufig durchaus
in Ordnung ist, ein Symptom zu haben, und dass das, was «hinter» dem Symptom steckt, von Wichtigkeit ist.
7.33 In einer ganz bestimmten Hinsicht zwingt uns unsere systemorientierte, zwischenmenschliche Perspektive der Psychopathologie jedoch, gegen die Verhaltenstherapie Stellung zu nehmen und damit im weiteren Sinn die psychodynamische Warnung
vor rein symptomatischer Besserung zu bekräftigen. Während
wir von der Wirksamkeit der Verhaltenstherapie für den Patienten als Monade überzeugt sind, vermissen wir sowohl in der Theorie wie in der Kasuistik dieser Behandlungsmethode jeden Hinweis auf die
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