Menschliche Kommunikation
darzustellen. Jaspers hat bekanntlich in
allen Erforschungen des Seelischen eine methodologische Dichotomie aufgezeigt, die auf Verstehen und Erklären beruht:
Durch Hineinversetzen in Seelisches verstehen wir genetisch, wie Seelisches aus Seelischem hervorgeht. Durch objektive Verknüpfung mehrerer Tatbestände zu Regelmäßigkeiten aufgrund wiederholter Erfahrungen erklären wir kausal ... Man hat die verständlichen Zusammenhänge
des Seelischen auch Kausalität von innen genannt und damit den unüberbrückbaren Abgrund bezeichnet, der zwischen diesen nur gleichnisweise
kausal zu nennenden und den echten kausalen Zusammenhängen, der
Kausalität von außen, besteht [75, S. 250].
In der Folge unserer Ausführungen wird indessen deutlicher
werden, dass sich das Denken in Strukturen und damit auch
unsere Darlegungen nicht völlig in diesen Begriff des Erklärens
einfügen lassen. Wenn wir auch, wie Jaspers beschreibt, «durch
Beobachtungen, durch Experimente oder durch Sammeln vieler
Fälle Regeln des Geschehens zu finden» trachten (S. 251), so ist
unser Anliegen doch nicht ein Erklären, schon gar nicht ein kausal-genetisches. Die Regeln der menschlichen Kommunikation
«erklären» nichts, sie sind vielmehr evident durch ihr Sosein, sind
ihre eigene beste Erklärung - ähnlich wie die Primzahlen sind,
aber nichts im eigentlichen Sinn erklären (vgl. Abschnitt 4.411).
Auf keinen Fall aber sollten unsere Ausführungen dahin missverstanden werden, dass wir mit ihnen die Realität des Intrapsychischen oder die Berechtigung genetischer, hereditärer, metabolischer und anderer menschlicher Verhaltenstheorien leugnen
wollten. Die vorliegende Studie ist ein Beitrag: Sie ist als Erhellung einer zusätzlichen Dimension gedacht, deren Nützlichkeit
für Klinik und Therapie in den folgenden Kapiteln dargestellt
werden soll.
1.6 Schlussfolgerungen
Wenn man mit den oben genannten Kriterien an die Phänomene
menschlichen Verhaltens herangeht, so eröffnen sich gewisse
neue Perspektiven, die im Rahmen der Psychopathologie kurz
erwähnt werden sollen. Das heißt aber nicht, dass sie nur dort
Gültigkeit hätten, sondern lediglich, dass sie in diesem Rahmen
besonders wichtig und relevant sind.
1.61 Der Begriff der Blackbox. Während besonders radikale Denker die Existenz der Seele leugnen, ist es der Fachwelt allgemein
nur zu gut bekannt, dass das Fehlen eines archimedischen Punktes
außerhalb der Seele die Erforschung ihrer Phänomene äußerst
schwierig macht. Mehr als irgendeine andere Disziplin sind Psychologie und Psychiatrie letztlich selbstreflexiv: Subjekt und
Objekt der Untersuchung sind identisch, die Seele erforscht sich
selbst, und alle Annahmen haben die unvermeidliche Tendenz,
sich selbst zu bestätigen. Die Unmöglichkeit, die Seele «an der
Arbeit» zu sehen, führte in den letzten Jahren zur Übernahme des
Begriffs der Blackbox aus dem Gebiet der Fernmeldetechnik. Er
wurde im Krieg zunächst auf erbeutetes Feindmaterial angewendet, das wegen der möglicherweise darin enthaltenen Sprengladungen nicht zur Untersuchung geöffnet werden konnte. In
einem allgemeineren Sinn wird dieser Begriff heute für elektronische Systeme verwendet, deren Komplexität es nahelegt, ihre
Beschaffenheit praktisch außer Acht zu lassen und sich auf die
Messungen ihrer Ein- und Ausgaberelationen (input-output relations) zu beschränken. Zwar trifft es zweifellos zu, dass diese
Relationen oft Schlussfolgerungen darauf erlauben, was innerhalb
des Geräts «wirklich» vorgeht; für die Untersuchung der Funktion jedoch, die das Gerät als Teil eines größeren Systems erfüllt,
ist dieses Wissen nicht wesentlich. Auf psychologische und psychiatrische Zusammenhänge angewandt, hat dieser Begriff den
heuristischen Vorteil, dass keine letztlich unbeweisbaren intrapsychischen Hypothesen herangezogen werden müssen. Die Untersuchungen können sich vielmehr auf die direkt beobachtbaren Ein- und Ausgaberelationen menschlicher Beziehungen, also
auf die Kommunikation, beschränken. Wir halten dies für eine
wichtige Neuorientierung, die es erlaubt, Symptome als Eingabe
in das System der Beziehung statt als Ausdruck intrapsychischer
Konflikte zu sehen (vgl. Abschnitt 3.234).
1.62 Bewusstes und Unbewusstes. In dieser Sicht menschlichen
Verhaltens lässt sich die Ausgabe einer Blackbox als die Eingabe
in eine andere auffassen. Die Frage, ob ein solcher Informationsaustausch bewusst oder unbewusst ist,
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