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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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Einzeldisziplinen beschränkt, beschreibt
Bateson in seinem Buch Naven wie folgt:

    Wenn sich unsere Untersuchungen mit den Reaktionen eines Individuums auf die Reaktionen anderer Individuen befassen, so wird offensichtlich, dass sich die Beziehung zwischen zwei Individuen im Laufe der Zeit
auch ohne Einflüsse von außen verändert. Dabei müssen wir nicht nurA's
Reaktionen auf B's Verhalten in Betracht ziehen, sondern darüber hinaus
deren Einfluss auf B's Verhalten und die Wirkung, die dieses wiederum
auf A hat.
    Es ist ohne weiteres klar, dass viele Beziehungssysteme, die sich entweder
aus Individuen oder aus Gruppen zusammensetzen, eine Tendenz zu
fortschreitender Veränderung haben. Wenn z. B. das Verhalten des Individuums A in der betreffenden Kultur für dominant gilt und als kulturbedingtes Verhalten von B darauf Unterwerfung erwartet wird, so ist es
wahrscheinlich, dass diese Unterwerfung ein weiteres Dominanzverhalten auslöst, das seinerseits weitere Unterwerfung erfordert. Wir haben es
also mit einer potenziellen Progression zu tun, und wenn nicht andere
Faktoren mitspielen und diesem Übermaß an Dominanz und Unterwerfung Grenzen setzen, so muss A unweigerlich immer dominanter und B
immer unterwürfiger werden. Diese Progression wird eintreten, gleichgültig ob A und B Einzelindividuen der Mitglieder komplementärer
Gruppen sind.
    Progressive Veränderungen dieser Art kann man als komplementäre
Schismogenese bezeichnen. Es gibt aber noch eine zweite Beziehungsform zwischen Individuen oder Gruppen, die den Keim zu progressiver
Veränderung in sich trägt. Wenn z. B. Prahlen das kulturbedingte Verhalten einer Gruppe ist und die andere Gruppe darauf ebenfalls mit Prahlen
antwortet, so kann sich daraus ein Wettstreit entwickeln, in dem Prahlen
zu mehr Prahlen führt und so fort. Diese Form von fortschreitender
Änderung kann symmetrische Schismogenese genannt werden [10,
S. 176f.].
    2.62 Die beiden so beschriebenen Beziehungsformen werden
heute allgemein als symmetrische und komplementäre Interaktion bezeichnet. Sie stehen für Beziehungen, die entweder auf
Gleichheit oder auf Unterschiedlichkeit beruhen. Im ersten Fall
ist das Verhalten der beiden Partner sozusagen spiegelbildlich
und ihre Interaktion daher symmetrisch. Dabei ist es gleichgültig, worin dieses Verhalten im Einzelfall besteht, da die Partner sowohl in Stärke wie Schwäche, Härte wie Güte und jedem anderen Verhalten ebenbürtig sein können. Im zweiten Fall dagegen
ergänzt das Verhalten des einen Partners das des anderen,
wodurch sich eine grundsätzlich andere Art von verhaltensmäßiger Gestalt ergibt, die komplementär ist. Symmetrische Beziehungen zeichnen sich also durch Streben nach Gleichheit und
Verminderung von Unterschieden zwischen den Partnern aus,
während komplementäre Interaktionen auf sich gegenseitig
ergänzenden Unterschiedlichkeiten basieren.

    In der komplementären Beziehung gibt es zwei verschiedene
Positionen: Ein Partner nimmt die sogenannte superiore, primäre
Stellung ein, der andere die entsprechende inferiore, sekundäre.
Diese Begriffe dürfen jedoch nicht mit «stark» und «schwach»,
«gut» und «schlecht» oder ähnlichen Gegensatzpaaren verquickt
werden. Komplementäre Beziehungen beruhen auf gesellschaftlichen oder kulturellen Kontexten (wie z. B. im Fall von Mutter und
Kind, Arzt und Patient, Lehrer und Schüler), oder sie können die
idiosynkratische Beziehungsform einer ganz bestimmten Dyas
sein. In beiden Fällen muss jedoch die ineinander verzahnte Natur
der Beziehung hervorgehoben werden, wobei unterschiedliche,
aber einander ergänzende Verhaltensweisen sich gegenseitig auslösen. Es ist nicht etwa so, dass ein Partner dem anderen eine komplementäre Beziehung aufzwingt; vielmehr verhalten sich beide in
einer Weise, die das bestimmte Verhalten des anderen voraussetzt,
es gleichzeitig aber auch bedingt. Im Sinne von Abschnitt 2.3 kann
man sagen, dass sich die beiderseitigen Beziehungsdefinitionen
einander entsprechen.
    2.63 Rein theoretisch könnte man allerdings eine dritte Beziehungsform postulieren, nämlich die der Metakomplementarität,
in der Partner A den Partner B die superiore Position einnehmen
lässt oder ihn sogar dazu zwingt. In ähnlicher Weise ließe sich
auch von Pseudosymmetrie sprechen, wenn A seinem Partner eine
symmetrische Beziehung einzunehmen gestattet oder ihm eine
solche aufzwingt. Die Nützlichkeit derartiger

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