Menschliche Kommunikation
Gott der größte Narr, den ich je gesehen habe.»
«Bist du mir böse? Bitte nicht, ich wollte das wirklich nicht.»
Sie zog die Knie an sich, rückte von ihm weg und rollte sich zur Wand.
«Lass mich allein. Bitte, geh weg und lass mich eine Weile still liegen.» Sie
weinte wieder, diesmal aber schon ruhiger. Er glitt vom Sofa hinunter,
kauerte sich auf den Boden zu ihren Füßen und ergriff eine ihrer schlaff
herabhängenden Hände. Sie war leblos, feucht und fieberheiß.
«Weißt du», sagte er ermutigt, weil sie ihm die Hand nicht entzog, «als
ich noch ein Kind war, hatte ich ein kleines, schwarzes Kätzchen, mit
dem ich immer spielen wollte, aber es hatte Angst und lief davon. Eines
Tages hatte ich es mit aller List ins Kinderzimmer gelockt, aber es kroch
unter einen Kasten und wollte nicht mehr herauskommen. Da zog ich
den Kasten von der Wand weg und wurde immer böser, weil es mir nicht
erlauben wollte, es zu streicheln. Es versteckte sich unter den Tisch, ich
warf den Tisch um, zerbrach zwei Bilder, die an der Wand hingen, kehrte
das ganze Zimmer drunter und drüber und jagte das Kätzchen mit einem
Stuhl durch den Raum. Da kam meine Mutter herein und fragte mich,
was ich denn mache. Ich sagte ihr, ich wollte nur das dumme Kätzchen
streicheln, und bekam eine tüchtige Tracht Prügel. Aber ich hatte die
Wahrheit gesagt ... [83, S. 67ff.]
Hier also führt die Verzweiflung über die Abweisung und das
Unvermögen, glaubhaft zu machen, dass man das Liebesobjekt
nicht verletzen will, zur Gewalttätigkeit.
3.531 Wenn man nun, wie Bateson es getan hat, tierisches Verhalten auf diese Strukturen hin beobachtet, so findet man, dass die
einzige Möglichkeit, eine Negation zu signalisieren, darin liegt, die zu verneinende Handlung zuerst zu demonstrieren oder vorzuschlagen und sie dann nicht zu ihrem Ende zu führen. Dieses
interessante und nur scheinbar irrationale Verhalten lässt sich
sowohl auf tierischer wie auf menschlicher Ebene feststellen.
So hatten wir z. B. Gelegenheit, wiederholt die Herstellung
einer Vertrauensbeziehung durch Analogiekommunikation zwischen Delfin und Mensch zu beobachten. Obwohl es sich dabei
um ein «persönliches» Ritual handeln könnte, das nur zwei der
Tiere entwickelt hatten, bietet es unserer Meinung nach ein gutes
Beispiel für die analoge Übermittlung einer Negation. Die Tiere
hatten offensichtlich erkannt, dass die Hand einer der wichtigsten
und verletzbarsten Teile des menschlichen Körpers ist. Wenn ein
Fremder an ihr Schwimmbecken kam und sich an die Brüstung
setzte, versuchten sie, seine Hand ins Maul zu nehmen und sie
sanft zwischen ihren Kiefern zusammenzupressen, die scharfe
Zähne haben und kräftig genug sind, die Hand glatt abzubeißen.
Wir glauben nicht, dass unsere Sympathie für diese schönen, intelligenten Tiere mit unserer wissenschaftlichen Objektivität davongeht, wenn wir dieses Analogieverhalten in die digitale Mitteilung übersetzen: «Ich könnte, aber ich will dich nicht verletzen.»
Wie dem auch sei, sobald man sich diesem sanften Biss unterwarf,
schien der Delfin dies als Mitteilung vollkommenen Vertrauens in
ihn zu betrachten, denn sein nächstes Verhalten bestand darin, den
anterior-ventralen Teil seines Körpers (seine verletzbarste Stelle,
deren Lage ungefähr der der menschlichen Kehle entspricht) auf
die Hand, den Fuß oder das Bein des Menschen zu legen und
damit gleichsam sein Vertrauen in dessen freundliche Absichten
auszudrücken. Ein solcher Verhaltensablauf ist natürlich auf jeder
Stufe durch die Doppeldeutigkeit aller Analogiekommunikationen
und damit durch die Möglichkeit digitaler Fehlinterpretationen
des einen oder des anderen Partners gefährdet.
Auf poetischer Ebene finden wir eine ähnliche Form der
Beziehung, hier zwischen dem Menschen und der Transzendenz,
im Beginn der ersten Duineser Elegie von Rilke [122], wo Schönheit als die Verneinung stets drohender Vernichtung erlebt wird:
3.532 Wie das Delfinbeispiel nahelegt, scheint das Ritual eine
Übergangsform zwischen der analogen und der digitalen Kommunikation zu sein, die einerseits das zu übermittelnde Material
simuliert, es andererseits aber in einer repetitiven und stilisierten
Weise tut, die zwischen Analogie und Symbol hängt. So kann
man beobachten, wie Katzen üblicherweise eine komplementäre,
jedoch friedliche Beziehung durch das folgende Ritual herstellen.
Das im Rang sekundäre Tier (gewöhnlich das
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