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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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Schuld sein als auch die
durchaus begreifliche Reaktion eines Unschuldigen, der sich
plötzlich eines Verbrechens verdächtigt sieht und ahnt, dass seine
Angst als Schuldbeweis ausgelegt werden könnte. Die Psychotherapie befasst sich zweifellos in vieler Hinsicht mit der korrekten und der korrektiven Digitalisierung des Analogen, und Erfolg
oder Misslingen jeder Interpretation wird sowohl von der Fähigkeit des Therapeuten abhängen, vom Analogen ins Digitale zu
übersetzen, als auch von der Bereitschaft des Patienten, seine
eigenen Digitalisierungen zugunsten zutreffenderer und reiferer
aufzugeben.
    3.52 In einem unveröffentlichten Bericht stellte Bateson die
Hypothese auf, dass ein anderer häufiger Fehler in den Übersetzungen von der einen in die andere Modalität in der Annahme
bestehe, dass eine analoge Mitteilung ihrem Wesen nach ebenso
eine denotative Aussage sei, wie es die digitalen Kommunikationen sind. Vieles spricht jedoch dafür, dass dem nicht so ist.
Bateson schreibt dazu:
    Wenn ein Tier, ein Mensch oder eine Nation eine drohende Haltung einnimmt, so kann der Partner daraus schließen, «er ist stark» oder «er wird
kämpfen», doch dies ist nicht der Sinn der ursprünglichen Mitteilung. In
Wirklichkeit ist die Mitteilung kein Hinweis, sondern eher als Analogie
eines Vorschlags oder einer Frage in der digitalen Welt zu betrachten.
    In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass alle
Analogiekommunikationen Beziehungsappelle sind, d.h. Anrufungen bestimmter Beziehungsformen. Nach der Definition Batesons sind sie daher Vorschläge über die künftigen Regeln der
Beziehung. Durch mein Verhalten, führt Bateson aus, kann ich
Liebe, Hass, Kampf usw. erwähnen oder vorschlagen, aber es ist
Sache meines Partners, diesen Vorschlägen positive oder negative
Gültigkeit zuzuschreiben. Es braucht kaum darauf verwiesen zu
werden, dass dies eine Quelle unzähliger Beziehungskonflikte ist.

    3.53 Digitale Sprache hat, um es nochmals zu erwähnen, eine
logische Syntax und ist daher höchst geeignet für denotative
Kommunikationen auf der Inhaltsebene. Während der Übersetzung von analogen in digitale Mitteilungen müssen also logische
Wahrheitsfunktionen eingeführt werden, die im Analogen fehlen.
Dieses Fehlen macht sich vor allem im Fall der Negation bemerkbar, d. h., es gibt keine Analogie für das digitale «nicht». Während
es relativ einfach ist, durch eine drohende Haltung die analoge
Mitteilung «Ich werde dich angreifen» zu machen, ist die Mitteilung «Ich werde dich nicht angreifen» äußerst schwierig zu signalisieren. Hierfür pflegen wir uns der digitalen Sprache zu bedienen, wobei allerdings immer fraglich bleibt, ob der andere unseren
Worten glaubt. In ähnlicher Weise ist es nicht schwer, die Aussage
«Der Mann pflanzt den Baum» rein bildlich darzustellen (eine
einzige Zeichnung kann dies zum Ausdruck bringen), während
es kaum möglich ist, das Gegenteil («Der Mann pflanzt den
Baum nicht») durch eine Bildanalogie darzustellen, so wie es
sehr schwierig ist, negative Werte in einen Analogierechner
einzuprogrammieren.
    In seinem Roman Ein Mann springt in die Tiefe beschreibt
Koestler die Erlebnisse eines jungen Flüchtlings aus seiner von
Nazis besetzten Heimat. Der Jüngling ist in ein schönes Mädchen
verliebt, aber da er mittellos ist und sein Gesicht durch Folter
entstellt, wagt er nicht zu hoffen, dass sie seine Gefühle erwidern
könnte. Sein einziger Wunsch ist, ihr nahe zu sein und ihr Haar
zu streicheln. Sie weist diese harmlosen Annäherungen ab und
schürt damit sowohl seine Verzweiflung als auch seine Leidenschaft, sodass er sie schließlich überwältigt.

    Sie lag zur Wand gedreht, den Kopf in einer seltsam verkniffenen Lage,
wie ein Puppenkopf mit gebrochenem Hals. Endlich durfte er ihr Haar
streicheln, wie er es sich immer gewünscht hatte. Plötzlich begriff er, dass
sie weinte; ihre Schultern zuckten in trockenem, trostlosem Schluchzen.
Er fuhr fort, ihr Haar und Schultern zu streicheln, und murmelte:
    «Siehst du, warum wolltest du nicht auf mich hören?»
    Sie richtete sich steif auf und unterbrach ihr Schluchzen:
«Was sagst du?»
    Ach habe gesagt, dass ich dich nur da haben wollte, damit du mir erlauben sollst, deine Haare zu streicheln und dir eisgekühlte Getränke zu
geben ... Das war wirklich alles, was ich von dir wollte.»
    Ihre Schultern schüttelten sich in einem leicht hysterischen Lachen. «Du
bist bei

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