Menschliche Kommunikation
einer Klasse (Menge) betrifft, nicht selbst Teil dieser Klasse sein darf. Mit anderen Worten, die Russell'sche Paradoxie erweist sich als eine Vermischung
von logischen Typen (oder Stufen). Eine Klasse ist von höherem
Typ als ihre Elemente; um sie zu konstruieren, muss man eine
Stufe in der Hierarchie der logischen Typen hinaufgehen. Wenn
man also, wie wir es taten, behauptet, dass die Klasse aller Begriffe
selbst ein Begriff sei, so ist dies nicht falsch, sondern sinnlos. Dieser Unterschied ist wesentlich, denn wenn die Aussage nur falsch
wäre, so müsste ihre Negation wahr sein, was offensichtlich nicht
der Fall ist.
6.3 Paradoxe Definitionen
Das Beispiel von der Klasse aller Begriffe bietet einen nützlichen
Übergang von den logischen zu den semantischen Paradoxien
(den paradoxen Definitionen oder semantischen Antinomien).
Wie wir gesehen haben, ist «Begriff» auf der niedrigeren Stufe,
also als Element einer Klasse, nicht identisch mit «Begriff» auf
der nächsthöheren Stufe, d. h. der Klasse selbst. Da aber derselbe
Name, «Begriff», für beide verwendet wird, entsteht eine linguistische Illusion von Identität. Um dieser Falle zu entgehen, müssten logische Typenmarkierungen - Tiefzahlen in formalen Systemen, Anführungszeichen oder Kursivdruck im allgemeineren
Sprachgebrauch - immer dann verwendet werden, wenn die
Gefahr besteht, dass eine Stufenverwirrung entstehen könnte.
Erst dann wird es klar, dass in unserem Beispiel Begriffs und
Begriff, nicht identisch sind und dass die Annahme einer sich
selbst als Element enthaltenden Klasse verworfen werden muss.
Außerdem sehen wir, dass in diesen Fällen Widersprüchlichkeiten der Sprache und nicht der Logik die Wurzel des Übels sind.
Wahrscheinlich die berühmteste aller semantischen Antinomien ist die jenes Mannes, der von sich selbst sagt: «Ich lüge.»
Wenn man diese Aussage bis zu ihrem logischen Schluss verfolgt,
so stellt sich wiederum heraus, dass sie nur dann wahr ist, wenn sie nicht wahr ist - d.h., dass der Mann nur dann lügt, wenn er die
Wahrheit sagt, und umgekehrt wahrheitsgetreu ist, wenn er lügt.
In diesem Fall kann die logische Typenlehre zur Beseitigung der
Paradoxie nicht verwendet werden, da Wörter und Verbindungen
von Wörtern keine vergleichbare logische Typenhierarchie haben.
Wenn wir uns nicht täuschen, war es wiederum Bertrand Russell,
der als Erster an eine Lösung dachte. Im letzten Absatz seiner Einleitung zu Wittgensteins Logisch philosophischen Abhandlungen
erwähnt er fast beiläufig: «Diese Schwierigkeiten legen meiner
Meinung nach die Möglichkeit nahe, dass jede Sprache, wie Herr
Wittgenstein sagt, eine Struktur hat, über die in der Sprache selbst
nichts ausgesagt werden kann, dass es aber vielleicht eine andere
Sprache gibt, die von der Struktur der ersten Sprache handelt und
selbst eine neue Struktur hat, und dass diese Hierarchie von Sprachen möglicherweise unbegrenzt ist» [126, S. 23]. Diese Anregung
wurde von Carnap wie von Tarski aufgegriffen und zur Theorie
der Sprachstufen entwickelt. Sie postuliert, dass auf der untersten
Stufe einer Sprache Aussagen über Objekte gemacht werden. Dies
ist der Bereich der Objektsprache. Sobald wir aber etwas über
diese Sprache sagen wollen, müssen wir eine Metasprache verwenden, und eine Metametasprache, wenn wir über die Metasprache
reden wollen, und so fort in theoretisch unendlichem Progress.
Wenn wir diesen Begriff der Sprachstufen auf die semantische
Antinomie des Lügners anwenden, so sehen wir, dass seine
Behauptung zwei Aussagen enthält, obwohl sie nur aus zwei
Wörtern besteht. Die eine Aussage wird in der Objektsprache,
die andere in der Metasprache getroffen und sagt etwas über die
Aussage in der Objektsprache aus, nämlich, dass sie nicht wahr
ist. Gleichzeitig aber ist, fast wie durch einen Taschenspielertrick,
impliziert, dass die Aussage in der Metasprache selbst eine der
Aussagen ist, über die die Metaaussage (hier die Selbstdefinition
«Ich bin ein Lügner») gemacht wird, d. h., dass sie selbst auch eine
Aussage in der Objektsprache ist (also: «Ich lüge, wenn ich sage:
»). In der Theorie der Sprachstufen ist diese
Selbstrückbezüglichkeit von Sätzen, die etwas über ihre eigene Wahrheit oder Falschheit (oder ähnliche Eigenschaften wie
Beweisbarkeit, Definierbarkeit, Entscheidbarkeit usw.) aussagen,
gleichbedeutend mit dem Begriff des Sich-selbst-Enthaltens einer
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