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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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Klasse in der logischen Typenlehre; beide sind sinnlos.

    Nur zögernd folgen wir Laien dem Beweis der Logiker, dass
die Aussage des Lügners sinnlos sein soll. Irgendwo scheint da
ein Haken zu sein, und dieser Eindruck ist noch stärker bei einer
anderen berühmten paradoxen Definition. In einem kleinen Dorf,
so lautet die Geschichte, lebt ein Barbier, der alle Männer rasiert,
die sich nicht selbst rasieren. Wiederum müssen wir feststellen,
dass diese Teilung der Dorfbewohner in Selbstrasierer und Nichtselbstrasierer einerseits erschöpfend ist, dass sie uns andererseits
aber geradewegs in eine Paradoxie führt, wenn wir versuchen,
den Barbier selbst der einen oder der andern Gruppe zuzuordnen. Und wiederum beweist exakte Deduktion, dass es keinen
solchen Barbier geben kann; trotzdem aber fühlen wir uns nicht
überzeugt und fragen uns: Warum nicht? Mit diesem hartnäckigen Zweifel im Sinn wollen wir uns nun den verhaltensmäßigen -
pragmatischen - Folgen der Paradoxien zuwenden.
    6.4 Pragmatische Paradoxien
    6.41 Paradoxe Handlungsaufforderungen. Während die Paradoxie vom Barbier fast immer in der eben erwähnten Form dargestellt wird, besteht zumindest eine etwas abweichende Version.
Es ist die von Reichenbach [119] verwendete, in der, anscheinend
ohne besonderen Grund, der Barbier ein Soldat ist, dem vom
Hauptmann befohlen wird, alle Soldaten der Kompanie zu rasieren, die sich nicht selbst rasieren, aber keine anderen. Reichenbach kommt selbstverständlich zum logischen Schluss, «dass es
den Kompaniebarbier im definierten Sinne nicht geben kann».
    Was immer die Gründe des Autors gewesen sein mögen, die
Geschichte in dieser etwas ungewöhnlichen Form darzustellen - sie liefert jedenfalls ein Beispiel par excellence für eine pragmatische Paradoxie. Denn es besteht letztlich kein Grund,
weshalb ein solcher Befehl, ungeachtet seiner logischen Absurdität, nicht tatsächlich gegeben werden kann. Die wesentlichen
Bestandteile der Situation sind die folgenden:

    1. Eine bindende komplementäre Beziehung (Offizier und Untergebener).
    2. Innerhalb dieser Beziehung wird ein Befehl (eine Handlungsaufforderung) gegeben, der befolgt werden muss, aber nicht befolgt werden darf, um befolgt zu werden. (Der Befehl definiert den Barbier als Selbstrasierer, wenn und nur wenn er sich nicht selbst rasiert, und umgekehrt.)
    3. Der die inferiore Position in dieser Beziehung einnehmende Soldat kann den Rahmen der Beziehung nicht verlassen oder die Paradoxie dadurch auflösen, dass er über ihre Absurdität kommentiert, d. h. metakommuniziert (dies wäre gleichbedeutend mit Insubordination).
    Ein Mensch in dieser Lage befindet sich in einer sogenannten unhaltbaren Situation. Während also vom rein logischen Gesichtspunkt der Befehl des Hauptmanns sinnlos ist und es den Barbier angeblich nicht geben kann, sehen die Dinge im wirklichen Leben ganz anders aus. Pragmatische Paradoxien, besonders paradoxe Handlungsaufforderungen, kommen in der Tat viel häufiger vor, als man zunächst annehmen würde. Sobald wir die Paradoxien in zwischenmenschlichen Kontexten zu untersuchen beginnen, stellen sie nicht mehr nur eine faszinierende Beschäftigung für den Logiker oder den Wissenschaftsphilosophen dar, sondern werden zu einer Angelegenheit von unmittelbarer praktischer Bedeutung für den Geisteszustand der Kommunikanten, ob diese nun Individuen, Familien, Gesellschaften oder Nationen sind.4

    6.42 Beispiele pragmatischer Paradoxien. Die folgenden Beispiele, die sich von einem rein theoretischen Gedankenmodell über literarische und historische Beispiele bis zur klinischen Kasuistik erstrecken, sollen das oben Gesagte illustrieren.
    Beispiel 1: Es ist syntaktisch und semantisch korrekt zu schreiben: Paris ist eine Großstadt. Aber es wäre inkorrekt zu schreiben: Paris ist zweisilbig, denn in diesem Fall müssen Anführungszeichen verwendet werden, also: «Paris» ist zweisilbig. Der Unterschied zwischen den beiden Sätzen besteht darin, dass sich das Wort «Paris» im ersten Satz auf ein Objekt (die Stadt) bezieht, im zweiten dagegen auf den Namen der Stadt und daher auf sich selbst. Die beiden Verwendungen des Wortes «Paris» gehören somit verschiedenen Sprachstufen an (der erste Satz ist in der Objektsprache, der zweite in der Metasprache), und die Anführungszeichen dienen als logische Typenmarkierungens (vgl. 106, S. 30f., Fußnote).

    Wir wollen nun die sonderbare Möglichkeit ins Auge fassen,
dass jemand die

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