Menschliche Kommunikation
standardisierten Familieninterviews
[154]:
Vater: Als Sprichwort bedeutet das für uns, für Mutter und mich, dass,
wenn wir beschäftigt sind, wie ein rollender Stein ... verstehst du? ...
wenn wir uns bewegen, dann ... werden wir nicht zu ... fett, du bist dann
geistig lebhafter ...
Sohn: Das bedeutet es?
Mutter: Verstehst du jetzt?
Sohn: Ich komm dahinter.
Mutter (gleichzeitig):... verstehst du?
Sohn: Ja, ich verstehe.
Vater (gleichzeitig): Dass es gut wäre für....
Sohn (unterbricht): Für Schwachsinn.
Vater (weitersprechend): ... tätig sein ...
Mutter (zum Sohn): Oh, du meinst, dass es das bedeutet - ein rollender
Stein ...
Sohn (unterbricht): Nicht schwachsinnig sein, das bedeutet es. Mutter: Also ...
Vater (unterbricht): Ja, beschäftigt sein würde helfen, das ist - ich glaube, das ist richtig.
Wie kann man sich einem «Schwachsinnigen»7 gegenüber verhalten, der über die Möglichkeit spricht, etwas gegen seinen Schwachsinn zu unternehmen, und sogar diese Bezeichnung verwendet? Wie der Lügner steht auch er einmal innerhalb und dann wieder außerhalb des durch die Diagnose (also einer Selbstdefinition) festgelegten Bezugsrahmens und führt damit die Diagnose in typisch schizophrener Weise ad absurdum. Die Verwendung der diagnostischen Bezeichnung schließt den Zustand aus, auf den sich die Bezeichnung bezieht.
c) Während der Besprechung der sexuellen Schwierigkeiten eines Ehepaars und ihrer individuellen Einstellung gegenüber verschiedenen Formen sexuellen Verhaltens ergab sich, dass der Mann moralisch sehr unter seiner Masturbation litt. Er sagte, dass das abweisende Verhalten seiner Frau ihn oft zum Masturbieren zwinge, dass ihn aber, «um ganz aufrichtig zu sein», die Abnormalität und die Sündhaftigkeit dieses Verhaltens sehr bedrücke (er war katholisch und hielt Masturbation für eine Todsünde). Der Therapeut antwortete ihm, er könne zur Frage der Sündhaftigkeit nicht Stellung nehmen; was aber die Abnormalität betreffe, so bewiesen zahlreiche Umfragen, dass die Angaben der Katholiken auf eine geringere Häufigkeit von Masturbation deuteten als die der Durchschnittsbevölkerung. Der Mann erwiderte darauf verächtlich: «Katholiken lügen immer über Sex.»
Beispiel 3: Die vielleicht häufigste Form, in der sich Paradoxien in zwischenmenschlichen Beziehungen ergeben können, ist
die einer Aufforderung zu bestimmtem Verhalten, das seiner
Natur nach nur spontan sein kann. Der Prototyp dieser Aufforderungen ist daher: «Sei spontan!» Diese Art von Aufforderung
versetzt den Empfänger in eine unhaltbare Situation, da er, um ihr
nachzukommen, spontan in einem Kontext von Gehorsam, von
Befolgung, also von Nichtspontaneität, sein müsste. Einige Variationen dieses Grundthemas sind:
a) «Du solltest mich lieben.»
b) Ach möchte, dass du mich mehr beherrschst.» (Forderung einer
Frau an ihren passiven Gatten.)
c) «Es sollte dir ein Vergnügen machen, mit den Kindern zu spielen -
wie anderen Vätern.»
d) Sei nicht so gehorsam!» (Eltern zu ihrem Kind, das sie für zu nachgiebig halten.)
e) «Du weißt, dass es dir freisteht zu gehen; kümmere dich nicht, wenn
ich zu weinen beginne.» (Aus einem Roman von W. Styron) [144,
S. 33].
Die Stammkunden des mikrokosmischen Superbordells in Genets
Balkon sind alle in diesem Dilemma gefangen. Die Mädchen werden dafür bezahlt, die für die imaginären Selbstdefinitionen der
Kunden nötigen Komplementärrollen zu spielen; aber es bleibt
doch alles unwirklich, denn der «Bischof» weiß, dass die Sünderin nicht eine «wirkliche» Sünderin, der «Richter», dass die Diebin nicht eine «wirkliche» Diebin ist usw. In gewisser Hinsicht ist
das auch das Problem des Homosexuellen, der sich nach einem
«wirklichen» Mann sehnt, nur um immer wieder feststellen zu
müssen, dass dieser selbst auch ein Homosexueller ist, sein muss.
In all diesen Fällen weigert sich der andere schlimmstenfalls, die
Komplementärrolle zu spielen, oder tut bestenfalls das Richtige
aus dem falschen Grund, und der falsche Grund ist immer die
Befolgung des Gewünschten, das sich spontan ergeben sollte und
nicht, weil man es verlangte. In den Begriffen von Symmetrie und
Komplementarität sind diese Aufforderungen paradox, da sie Spontaneität im Rahmen einer als komplementär definierten Beziehung verlangen. Spontaneität gedeiht in Freiheit und erstickt unter Zwang.'
Beispiel 4: Ideologien sind besonders anfällig für Paradoxien -
vor
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