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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Schritte von ihr entfernt stand.
    Das Gesicht der schönen Greisin blieb unbewegt. Sie erwiderte den Gruß des Schauspielers Höfgen und seiner Begleiterin nicht. War ihr bekannt, wohin diese beiden gingen – welchen Vertrag Hendrik, der mit Barbara verheiratet gewesen war, in einer Stunde unterschreiben würde? Vielleicht ahnte sie es, oder sie ahnte doch etwas von dieser Art. Sie wußte, was sie von Hendrik und Nicoletta zu halten hatte. Sie verfolgte ihre Entwicklung, und sie war entschlossen, nichts mehr zu tun zu haben mit diesen beiden.
    Die Lorgnette der Generalin sank leise klappernd herab. Die alte Dame wandte Hendrik und Nicoletta den Rücken. Sie entfernte sich von ihnen, mit kleinen, etwas mühsamen Schritten, denen Energie und eine stolze innere Haltung Festigkeit und selbst einen gewissen Elan verliehen.
     

X
DIE DROHUNG
     
    Der Intendant war kahlköpfig. Die letzten seidenweichen Strähnen, welche die Natur ihm gelassen hatte, rasierte er sich ab. Seines edel gebildeten Schädels brauchte er sich nicht zu schämen. Mit Würde und Selbstbewußtsein trug er das mephistophelische Haupt, in das der Herr Ministerpräsident sich vergafft hatte. Im fahlen, etwas aufgeschwemmten Gesicht schimmerten die kalten Juwelenaugen so unwiderstehlich wie je. Der empfindliche Leidenszug an den Schläfen rührte zu einem respektvollen Mitleid. Die Wangen begannen ein wenig schlaff zu werden, hingegen hatte das Kinn, mit der markanten Kerbe in der Mitte, seine herrische Schönheit behalten. Vor allem wenn der Intendant es hochreckte, wie dies seine Art war, wirkte es sowohl imponierend als reizend; neigte er indessen das Gesicht, so entstanden Falten am Hals, und es stellte sich heraus, daß er eigentlich ein Doppelkinn besaß.
    Der Intendant war schön. Nur Personen, die so scharf blickten wie die alte Frau Generalin durch ihre Lorgnette, glaubten feststellen zu dürfen, daß seine Schönheit nicht ganz echt, nicht ganz legitim und mehr eine Leistung des Willens war als eine Gabe der Natur. »Es verhält sich mit seinem Gesicht so ähnlich wie mit seinen Händen«, behaupteten solche Boshaften und Überkritischen. »Die Hände sind breit und häßlich, aber er weiß sie zu präsentieren, als wären sie spitz und gotisch.«
    Der Intendant war sehr würdig. Das Monokel hatte er gegen eine Hornbrille mit breitem Rand vertauscht. Seine Haltung war aufrecht, zusammengenommen, beinah steif. Der Zauber seiner Persönlichkeit ließ das Fett übersehen, das er doch in Wahrheit reichlich ansetzte. Meistens sprach er mit einer leisen, belegten, dabei singenden Stimme, die gebieterische, kokett wehleidige und sinnlich werbende Töne auf diskrete Art miteinander abwechseln ließ und zuweilen, bei festlichen Anlässen, den überraschend aufleuchtenden Metallton hergab.
    Jedoch konnte der Intendant auch munter sein. Im Repertoire der Mittel, mit denen er verführte, hatte die typisch rheinische, bei ihm aber übermütig persönlich geprägte Lustigkeit ihren wichtigen Platz. Wie der Intendant zu scherzen verstand, wenn es galt, verdrossene Bühnenarbeiter, widerspenstige Schauspieler oder die schwer zu behandelnden Repräsentanten der Macht für sich zu gewinnen! Er brachte Sonnenschein in ernste Versammlungssäle, er erhellte mit der ihm angeborenen und durch eine lange Routine perfektionierten Schalkhaftigkeit trübe Probenvormittage.
    Der Intendant war beliebt. Beinah alle Menschen mochten ihn, rühmten seine Leutseligkeit und waren der Ansicht, er sei ein feiner Kerl. Ihm gegenüber schien sogar die politische Opposition, die nur bei geheimen Zusammenkünften, in sorgfältig verschlossenen Räumen ihre Ansicht äußern konnte, milde gestimmt. Es sei doch ein rechtes Glück – so meinten die, welche mit dem Regime nicht einverstanden waren –, daß auf einem so wichtigen Posten, wie der es war, den Höfgen innehatte, ein deklarierter Nicht-Nationalsozialist sitze. In diesen verschwörerischen Zirkeln wollte man wissen, daß der Chef des Staatstheaters sich dem Minister gegenüber manches leistete und herausnahm. Er hatte Otto Ulrichs an die preußische Bühne gebracht – eine ebenso riskante wie lobenswerte Tat. Seit neuestem hielt er sich sogar einen Privatsekretär, der Jude oder mindestens Halbjude war –: Johannes Lehmann hieß der junge Mensch, er hatte sanfte, goldbraune, etwas ölige Augen und war dem Intendanten ergeben wie ein treuer Hund. Lehmann war zum Protestantismus übergetreten und sehr fromm. Neben

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