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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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heraus unterhöhle ich seine Macht …« Otto Ulrichs hörte kaum noch hin. Vielleicht geschah es in diesem Augenblick, daß die Illusion von ihm wich und daß er Hendrik Höfgen erkannte.
     
    Wie meisterhaft der Intendant sich verstellte! Diese Leistung war in der Tat eines großen Schauspielers würdig. Man hätte ja wahrhaftig glauben können, es wäre Hendrik Höfgen nur um Geld, Macht und Ruhm zu tun, anstatt um die Unterhöhlung des nationalsozialistischen Regimes.
    Im breiten Schatten des Ministerpräsidenten fühlte er sich so sicher und geborgen, daß er es sich leisten zu dürfen glaubte, mit der Gefahr zu kokettieren, die Schrecken der Katastrophe schalkhaft zu beschwören. Da er mit einem Theaterdirektor in Wien telephonierte, von dem er sich einen Schauspieler ausleihen wollte, sagte er mit der klagenden, singenden Stimme, die wehleidig die Vokale zerdehnte: »Tja mein Lieber – in ein paar Wochen werde ich vielleicht schon bei Ihnen in Wien auftauchen … Ich weiß nicht, ob ich mich hier noch vierzehn Tage halte. Meine Gesundheit – sie verstehen mich recht? – meine Gesundheit ist so schrecklich angegriffen …«
    In Wahrheit gab es nur zwei Möglichkeiten, die ihn hätten zu Fall bringen können: Wenn der Fliegergeneral ihm die Gnade entzog, oder wenn der Fliegergeneral selber Einbuße erlitt an seiner Macht. Jedoch schien der Dicke, seinem Mephistopheles gegenüber, von einer Treue, die in nationalsozialistischen Kreisen kaum üblich war und deshalb Erstaunen erregte. Auch war der Stern des fetten Riesen noch im Aufstieg begriffen: der Freund der Hinrichtungen und der blonden Sentimentalen gewann immer mehr Titel, immer mehr Schätze, immer mehr Einfluß auf die Führung des Staates.
    Solange die Sonne des Dicken über ihm leuchtete, brauchte Höfgen die heimtückischen Attacken des Hinkenden nicht ernst zu nehmen. Der Propagandaminister wagte es nicht, offen vorzugehen gegen den Intendanten. Im Gegenteil legte er Wert darauf, sich bei passenden Anlässen öffentlich mit ihm zu zeigen. Übrigens war er nicht ohne einen gewissen intellektuellen Kontakt mit dem Schauspieler Höfgen. Wenn dieser es verstanden hatte, den Fliegergeneral durch seine diabolische Mondänität, seinen zynisch amüsanten Witz zu faszinieren und für sich zu gewinnen, so konnte er sich doch auch mit dem Propagandachef, dem ›alten Doktor‹ recht gut unterhalten, da sie beide nicht nur dieselbe rheinische Mundart sprachen – wodurch ihre Konversationen den herzlich-intimen Charakter bekamen –, sondern auch die gleiche radikale Terminologie benutzten – und mißbrauchten. Von ›revolutionärer Dynamik‹, dem ›heroischen Lebensgefühl‹ und einem ›blutvollen Irrationalismus‹ konnte auch der Schauspieler Höfgen schwatzen, wenn es sein mußte. So hatte er manch angeregtes Plauderstündchen mit seinem Todfeind – was natürlich nicht hinderte, daß dieser weiter unerbittlich gegen ihn intrigierte.
    Cäsar von Muck, der von seiner genußvollen Auslandtournee heimgekehrt war, tat alles Erdenkbare für die Verbreitung jener Gerüchte über eine gewisse Negerin, an die Hendrik – angeblich – auf eine durchaus krankhafte Art sexuell gebunden war und die in Paris, auf seine Kosten, ein anstoßerregend glanzvolles Leben führte. Mit dieser Dame – so wurde verbreitet – pflegte Höfgen sich heimliche Rendezvous zu geben: nicht nur, um weiter Rassenschande mit ihr zu treiben, sondern auch weil er sie als Verbindungsperson zu den finsteren und gefährlichsten Zirkeln der Emigration benutzte – zu eben jenen Zirkeln, hieß es weiter, in denen die Frau, von der Hendrik sich nur pro forma hatte scheiden lassen – Barbara Bruckner – eine führende Rolle spielte.
    Im Staatstheater sprach man von nichts anderem, als von der schwarzen Buhle des Intendanten; auch auf den wichtigsten Redaktionen und in jenen Kreisen, die den Ton angaben, wußte man sehr wohl Bescheid über die dunkle Dame, die in Paris allen Glanz der großen Babel entfaltete – ›sie hält sich drei Affen, einen jungen Löwen, zwei ausgewachsene Panther und ein Dutzend chinesischer Kulis‹, wollte man wissen – und die mit dem französischen Generalstab, dem Kreml, den Freimaurern und der jüdischen Hochfinanz gegen den nationalsozialistischen Staat Ränke spann. Die Situation begann für Höfgen peinlich zu werden. Er beschloß, Nicoletta zu heiraten, um den unangenehmen Gerüchten die Spitze abzubrechen. Der Ministerpräsident war sehr zufrieden

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