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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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mit dieser Entscheidung seines schlauen Protégés. Er ließ alle, die den Intendanten weiter zu verdächtigen wagen sollten, streng verwarnen. »Wer gegen meine Freunde ist, der ist gegen mich«, betonte drohend der Dicke. Wer die Existenz einer gewissen Negerin noch einmal erwähnte, hatte damit zu rechnen, es mit der schrecklichen Person des Fliegergenerals und mit seiner Geheimen Polizei zu tun zu kriegen. Im Theater wurde auf dem schwarzen Brett, gleich beim Bühneneingang, ein Anschlag befestigt, auf dem zu lesen stand, daß jeder, der über das Privatleben oder die Vergangenheit des Herrn Intendanten irgendwelche Gerüchte weitertrage oder sich auch nur anhöre, eine staatsfeindliche Handlung begehe. Übrigens zitterten alle vor dem privaten Spionage-Apparat Höfgens. Unmöglich, vor diesem gefährlich schlauen Menschen irgend etwas geheim zu halten, was ihn anging: er erfuhr alles, dank einer kleinen Armee von Spitzeln, die er aushielt. Die Gestapo konnte darauf eifersüchtig sein, auf dieses perfekt organisierte System.
    Selbst Cäsar von Muck wurde unruhig. Der Schöpfer der ›Tannenberg‹-Tragödie hielt es sogar für ratsam, eine Visite in Hendrik-Hall zu machen und im herzlichsten Sächsisch eine Stunde mit dem Hausherrn zu verplaudern. Nicoletta gesellte sich zu den beiden Herren, denen Frau Bella selbst einen leckeren und leichten Imbiß serviert hatte, und begann plötzlich, mit einer hohen, tückischen Stimme, von Negern zu sprechen. Herr von Muck verzog keine Miene, als die geschiedene Frau Marder versicherte, daß sowohl Hendrik als auch sie selber geradezu einen Abscheu vor schwarzen Leuten empfänden. »Es wird Hendrik übel, wenn er jemanden von dieser garstigen Rasse nur aus der Ferne sieht«, erklärte sie und fixierte Cäsar unbarmherzig aus blanken, lustigen Augen. »Schon der Geruch dieser Menschen ist ganz unerträglich«, sprach sie herausfordernd. – »Ja ja«, bestätigte Herr von Muck. »Das ist wahr: Neger stinken.« Und plötzlich lachten sie alle drei – lang und herzlich –: der Intendant, der Dichter und das grelle Mädchen.
    Nein, diesem Höfgen war nichts anzuhaben: Herr von Muck begriff es, der Propagandaminister begriff es, und beide beschlossen, sich aufs freundschaftlichste mit ihm zu stellen, bis endlich, irgendwann einmal, die Gelegenheit käme, ihn zu stürzen und zu erledigen. Für den Augenblick war er unangreifbar.
    Der Dicke hatte ihm eine Audienz beim Diktator verschafft; denn selbst bis zu dieser erlauchtesten Person waren die Gerüchte um Prinzessin Tebab gedrungen. Der Gottgesandte hatte sich recht angewidert über den Fall geäußert; von den Schwarzen hielt er in der Tat fast ebensowenig wie von den Juden. »Kann ein Mensch, der mit rassisch minderwertigen Personen Umgang hat, die sittliche Reife besitzen, die ein Intendantenposten verlangt?« erkundigte sich der Führer mißtrauisch bei seiner Umgebung. Nun sollte Hendrik, mittels der Juwelenblicke, der singenden Stimme und des edel-leidenden Anstandes, den weitaus größten Deutschen, der je gelebt hat, für sich gewinnen und von seiner sittlichen Qualifiziertheit überzeugen.
    Die halbe Stunde, die der Intendant in Privataudienz bei dem Messias aller Germanen verbringen durfte, schien ihm anstrengend und sogar qualvoll. Die Konversation blieb ein wenig zäh: der Führer interessierte sich nicht sehr fürs Schauspiel, er bevorzugte Wagner-Opern und Ufa-Filme. Von seinen Opern-Inszenierungen, die in der verruchten ›System‹-Zeit so viel Aufsehen gemacht hatten, wagte Höfgen jedoch nicht zu sprechen, aus Angst, der Führer könnte sich der vernichtenden Urteile entsinnen, die Cäsar von Muck damals über diese zersetzenden und semitisch beeinflußten Experimente gefällt hatte. Hendrik wußte überhaupt nicht recht, wovon er sprechen sollte. Die leibhaftige Gegenwart der Macht verwirrte und ängstigte ihn. Der ungeheure Ruhm des Mannes, der ihm gegenübersaß, schüchterte den Ruhmsüchtigen ein.
    Die Macht hatte unter einer unbedeutenden, fliehenden Stirne, in welche die legendäre speckige Haarsträhne fiel, den toten, starren, wie erblindeten Blick. Das Antlitz der Macht war grau-weiß, aufgeschwemmt, von einer lockeren, porösen Substanz. Die Macht hatte eine sehr ordinäre Nase – eine gemeine Nase, wagte Hendrik, in dessen Bewunderung sich Auflehnung und sogar Hohn mischten, zu denken. Der Schauspieler bemerkte, daß die Macht gar keinen Hinterkopf hatte. Unter dem braunen Hemd trat ein weicher

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