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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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das Abenteuer, auf das weder ihr Herz noch ihre Gedanken vorbereitet waren und dessen Konsequenzen unabsehbar schienen. In was geriet sie hier? Wie geschah ihr? Was hatte sie auf sich genommen? Spürte sie denn einen tieferen Kontakt zu diesem vieldeutigen und gewandten, höchst begabten, manchmal rührenden, zuweilen beinah abstoßenden Menschen – zu diesem Komödianten Hendrik Höfgen?
    Barbara war kaum zu verführen, sie blieb kühl noch vor den routiniertesten Tricks. Um so schneller erwachten in ihr Mitleid und die pädagogische Anteilnahme. Hendriks erfahrene Schlauheit hatte dies gleich erfaßt. Seit dem ersten Abend, da er, im wirkungsvollen Gegensatz zu Marders lärmend-bravouröser Art, den Stillen und Feinen gespielt hatte, verzichtete er, Barbara gegenüber, weise und enthaltsam auf alle schillernden Künste. Nur von ernsten und ergreifenden Dingen war zwischen ihm und ihr die Rede gewesen: von seiner ethisch-politischen Gesinnung, von der Einsamkeit seiner Jugend, von der Härte und vom Zauber seines Berufes; schließlich aber hatte er dem Mädchen, in der entscheidenden Minute, sein tränenüberströmtes, von Seelenqual erblindetes Gesicht gezeigt, und was er ihr noch hätte sagen können, war vergangen in Lallen.
    Barbara war es gewohnt, von ihren Freunden in Anspruch genommen zu werden, wenn diese sich in Nöten und Verwirrungen befanden. Nicht nur Nicoletta war mit ihren komplizierten Beichten bei ihr gewesen, sondern auch junge Männer und selbst ältere Freunde ihres Vaters kamen zu ihr, wenn sie die Trösterin brauchten. Sie war erfahren in den Schmerzen der anderen; seit früher Jugend aber hatte sie es sich versagt, eigene Schmerzen, eigene Ratlosigkeit gar zu ernst zu nehmen oder mitzuteilen. Deshalb glaubte man, es gäbe nichts, was ihr inneres Gleichgewicht störte. Von ihren Freunden wurde Barbara für den ausgeglichenen, energisch klugen, vielfach begabten, reifen, sanften und sicheren Menschen gehalten. Vielleicht gab es unter allen, die ihr nahestanden, nur einen, der um die Labilität ihres inneren Zustandes, um ihre Zweifel an der eigenen Kraft, ihre wehmutsvolle Liebe zur Vergangenheit und ihre Scheu vor der Zukunft wußte: der alte Bruckner kannte sein Kind, das er liebte.
    Deshalb enthielt der Brief, den er schrieb, als er die Nachricht von ihrer Verlobung erhalten hatte, nicht nur Traurigkeit darüber, daß sie nun sein Haus verlassen wollte; sondern auch Sorge. Ob sie denn alles wohl bedacht und genau beschlossen habe? – wollte der Vater wissen. Und Barbara erschrak über den warnenden Ernst seiner Frage. Hatte sie's denn wohl bedacht und genau beschlossen? Jeder Ratschlag, den sie Freunden gab, war das sorgfältig erwogene Resultat langer Überlegungen, klugen Denkens. In ihrem eigenen Leben ließ sie die Ereignisse mit einer spielerischen Nachlässigkeit an sich herankommen. Manchmal fürchtete sie sich ein wenig, aber doch niemals genug, um auszuweichen oder abzuwehren: dies verboten ihr sowohl die Neugierde als auch der Stolz. Mit Skepsis und einer lächelnden Kühnheit, ohne sich jemals gar zuviel des Schönen für sich selbst zu versprechen, wartete sie der Dinge, die da kommen sollten. Lächelnd schaute sie ihren sonderbaren Hendrik an, der mit einer so temperamentvollen Rhetorik von ihr verlangte, daß sie seinen guten Engel spiele. Vielleicht lohnte es sich, vielleicht hatte sie hier eine Pflicht, vielleicht gab es in ihm einen edlen, gefährdeten Kern, über den zu wachen ihr – gerade ihr – aufgetragen war. Wenn es denn so sein sollte: Barbara sträubte sich nicht. – Größere Sorgen als um ihr eigenes überraschendes Schicksal machte sie sich um Nicoletta, die sich an Marder verlor.
    Übrigens gingen die Ereignisse schnell. Hendrik drängte: die Hochzeit sollte noch im Sommer stattfinden. Nicoletta war es, die seinen Wunsch unterstützte, »Wenn ihr schon heiraten müßt, meine Lieben«, sprach sie – und tat, als sollte hier etwas geschehen, wovon sie auf das dringendste abgeraten, worein sie sich aber nun, da es unvermeidlich schien, mit Vernunft und Würde schickte –, »wenn es denn einmal sein muß«, sagte sie, sorgfältig akzentuiert, »dann lieber gleich und sofort. Eine lange Verlobungszeit ist lächerlich.«
    Als Hochzeitstag wurde ein Datum Mitte Juli festgelegt. Barbara war nach Hause gereist: es gab viel zu erledigen und vorzubereiten. Nicoletta und Hendrik inzwischen gastierten mit einer Komödie, die nur zwei Rollen hatte, in den Badeorten an

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