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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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unter einer altertümlich hohen Frisur; eine bejahrte Kammerzofe oder Haushälterin – klein, gutmütig und geschwätzig in einer merkwürdig langen, steif gestärkten Schürze; sie machte einen Knicks vor dem Bräutigam ihrer jungen Herrin, schüttelte ihm dann lange und herzlich die Hand; woraufhin sie sofort ein ausführliches Gespräch mit Barbara über häusliche Dinge begann. Hendrik war erstaunt darüber, mit welchen Details der Wirtschaft Barbara sich beschäftigte, wie bewandert sie in den Dingen der Küche und des Gartens war. Übrigens fand er es wunderlich, daß sie von der alten Dienerin zwar ›gnädiges Fräulein‹, aber ›du‹ genannt wurde.
    In diesen herrschaftlichen Stuben, wo es schöne Teppiche, dunkle Bilder, Bronzen, große tickende Uhren und viel Samtbezüge gab, war Barbara also zu Hause; hier hatte sie ihre Jugend verbracht. In diesen Büchern hatte sie gelesen; in diesem Garten hatte sie ihre Freunde empfangen. Zärtlich und feierlich bewacht von der klugen Liebe eines solchen Vaters war ihre Kindheit, rein und voller Spiele, deren geheime Regeln nur sie selber wußte – waren ihre Mädchenjahre hingegangen. – Neben einer Gerührtheit, die fast Ehrfurcht war, empfand Hendrik, ohne es sich noch eingestehen zu wollen, etwas anderes: Neid. Mit quälender Peinlichkeit kam ihm der Gedanke, daß er in diesen Räumen und bei diesem Vater seine Mutter Bella und seine Schwester Josy morgen würde einführen müssen. Wie leidvoll schämte er sich, jetzt schon, ihrer munteren Kleinbürgerlichkeit. Ein Glück noch, daß wenigstens Vater Köbes am Kommen verhindert war …
    Man speiste auf der Terrasse. Hendrik pries die Schönheit des Gartens, dessen Beete, Baumgruppen und Wege sich als angenehme Aussicht boten. Der Geheimrat wies auf eine Jünglings-Statue – einen Hermes, der seine anmutsvolle Magerkeit, seine nach oben strebende, flugbereite Gebärde zwischen dem lockigen Laub der Birken zeigte. Dieses artige Kunstwerk schien den besonderen Stolz des Hausherrn auszumachen. »Ja, ja, er ist hübsch, mein Hermes«, sagte er, und nun hatte sein Lächeln etwas wohlig Schmunzelndes. »Ich bin jeden Tag aufs neue froh darüber, daß ich ihn besitze und daß er in so reizender Haltung zwischen meinen Birken steht.« – Gewiß war er auch froh darüber, daß es so gute Weine und Getränke gab; er bediente sich, maßvoll aber reichlich, mit allem und lobte die Qualität des Gebotenen. »Himbeeren«, konstatierte er wohlgefällig, als man zum Nachtisch kam. »Das ist recht. Das entspricht der Jahreszeit und verbreitet einen schönen Geruch.« – Die Stimmung, die er um sich verbreitete, war aus Feierlichkeit und Gemütlichkeit, aus unzugängiger Kühle und Bonhomie sonderbar gemischt. Der Schwiegersohn schien ihm nicht ganz übel zu gefallen. Ihm gegenüber legte er ein Wohlwollen an den Tag, das vielleicht von Ironie nicht ganz frei war. Sein Lächeln schien etwa sagen zu wollen: Solche Typen, wie du einer bist, mein Lieber, muß es auch geben auf dieser Welt. Es ist nicht unamüsant, sie zu beobachten – man langweilt sich wenigstens nicht mit ihnen. Freilich: an der Wiege ist es mir kaum gesungen worden, und ich habe es mir wohl auch nicht gewünscht, daß eine Figur deiner Art einmal als Schwiegersohn an meinem Tisch sitzen würde. Aber ich neige dazu, die Dinge zu akzeptieren, wie sie sind – man muß den Phänomenen ihre beste und drolligste Seite abgewinnen, und übrigens wird meine Barbara ja wohl ihre vernünftigen Gründe haben, wenn sie dich heiratet …
    Hendrik glaubte zu spüren, daß er Erfolgschancen hatte. Um so gefallsüchtiger wurde er. Nicht länger konnte er es sich versagen, die Augen auf bewährte Art schillern zu lassen. Den Kopf im Nacken, vieldeutig und bezwingend lächelnd, machte er die Juwelenblicke, für deren Zauber der Geheimrat durchaus nicht völlig unempfänglich schien. Der alte Herr blieb auch aufmerksam und behielt den schmunzelnden Gesichtsausdruck, als Schwiegersohn Höfgen dazu überging, in effektvoll studierter Rede seine Gesinnung auseinanderzusetzen, wobei er für den ausbeuterischen Zynismus der Bourgeoisie und den frevelhaften Irrsinn des Nationalismus die vernichtendsten Worte fand. Der Alte ließ ihn schwärmen und deklamieren; nur einmal hob er die hagere, schöne Hand, um einzuwerfen: »Sie sprechen so verächtlich von den Bürgern, mein lieber Herr Höfgen. Aber ich bin auch einer. – Freilich kein nationalistischer und hoffentlich auch kein

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