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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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der Ostsee. Barbara mußte zahlreiche und kostspielige Ferngespräche mit Hendrik führen, bis sie es erreichte, daß er ihr die Papiere schickte, die für das Standesamt unentbehrlich waren. Zwei Tage vor dem Hochzeitstermin traf Nicoletta ein – eine auffallende Erscheinung für die süddeutsche kleine Universitätsstadt, wo die Bruckners wohnten. Einen Tag später kam Hendrik, der noch in Hamburg Station gemacht hatte, um seinen neuen Frack abzuholen. Das erste, was er, Barbara auf dem Bahnsteig erzählte, war, daß der Frack blendend schön, aber leider total unbezahlt sei. Er lachte viel und nervös: war braungebrannt und trug einen sehr hellen, etwas zu engen Sommeranzug mit rosa Hemd und einem weichen, silbergrauen Filzhut. Sein Lachen wurde immer krampfhafter, je näher man der Villa Bruckners kam. Barbara glaubte zu merken, daß Hendrik sich davor fürchtete, ihren Vater kennenzulernen.
    Der Geheimrat erwartete das junge Paar vor der Tür seines Hauses, im Garten. Er begrüßte Hendrik mit einer Neigung des Oberkörpers, die so tief und feierlich war, daß man vermuten mußte, sie sei ironisch gemeint. Jedoch lächelte er nicht; sein Gesicht blieb ernst. Das schmale Haupt war von einer Feinheit und Empfindlichkeit, die fast erschreckend wirkten. Die gefurchte Stirne, die lange, zart gebogene Nase, die Wangen waren wie gearbeitet aus einem kostbaren, gelblich nachgedunkelten Elfenbein. Der Abstand zwischen Nase und Mund war groß, grauer Schnurrbart bedeckte ihn. Vielleicht war es eben diese unverhältnismäßig lange Partie zwischen Oberlippe und Nasenansatz, die das Gesicht verzeichnet, irgendwie verzerrt und jenen Bildern ähnlich erscheinen ließ, die uns gewisse präparierte Spiegel oder die Darstellungen primitiver Maler von Männergesichtern geben. – Auffallend langgezogen war auch das Kinn, und auch auf ihm gab es Bart. Zunächst gewann man den Eindruck, daß der Geheimrat einen Spitzbart trage; in Wahrheit reichte die graue Behaarung kaum über das Kinn hinaus. Die Spitzbart-Wirkung kam von der außerordentlichen Länge des Kinnes.
    In diesem Antlitz, dem die zarte Formung, der Geist und das Alter jene Vornehmheit verliehen, die einschüchtert und zugleich zum Mitleid rührt, überraschten die Augen: sie hatten das tiefe, sanfte, ins Schwärzliche spielende Dunkelblau, das Hendrik so gut aus Barbaras Augen kannte. Freilich waren über dem freundlich versonnenen Blick des Vaters die Lider schwer und meistens gesenkt, auch war sein Schauen verschleiert; während die Tochter klar und offen um sich sah.
    »Mein lieber Herr Höfgen«, sagte der Geheimrat, »ich bin froh, Sie kennenzulernen. Lassen Sie mich hoffen, daß Sie eine gute Reise gehabt haben.«
    Seine Aussprache war bemerkenswert deutlich, ohne dadurch an die dämonische Präzision zu erinnern, in der Nicoletta sich übte. Mit einer liebreichen Sorgfalt bildete der Geheimrat die Worte zu Ende, als wollte seine Gerechtigkeit keine Silbe vernachlässigen oder zu kurz kommen lassen: noch die unbedeutendsten Endsilben, die meist unter den Tisch zu fallen pflegen, erfuhren hier die genaueste und schonendste Behandlung.
    Hendrik war recht verwirrt. Ehe er sich zu einer feierlichen Miene entschloß, lachte er noch ein wenig, sinnlos und auf jene geschüttelte Art, die er etwa bei der Begrüßung der Dora Martin im H. K. gehabt hatte. Während Barbara beunruhigt auf ihn schaute, schien dem Geheimrat so wunderliches Betragen nicht weiter aufzufallen. Er blieb tadellos korrekt, dabei gütig. Mit freundlichem Zeremoniell bat er die beiden jungen Leute ins Haus. Zu Barbara, die ihm den Vortritt lassen wollte, sagte er: »Gehe voraus, mein Kind, und zeige deinem Freund, wo er seinen hübschen Hut ablegen kann.«
    Auf der Diele herrschte ein kühles Halbdunkel. Respektvoll atmete Hendrik den Geruch des Raumes: der Duft von Blumen, die auf den Tischen und auf dem Kaminsims verteilt standen, vermischte sich mit jenem würdevollen und ernsthaften Aroma, das von Büchern kommt. Die Bibliothek füllte alle Wände bis hinauf zur Decke.
    Hendrik wurde durch mehrere Zimmer geleitet. Er plauderte krampfhaft, um zu bezeigen, daß er von der Stattlichkeit der Räume ganz und gar nicht beeindruckt war. Übrigens sah er wenig; nur zufällige Einzelheiten fielen ihm auf: ein großer Hund, der beängstigend wirkte, sich knurrend erhob, von Barbara gestreichelt wurde und sich würdig-wiegenden Schritts entfernte; ein Porträt der verstorbenen Mutter, freundlich blickend

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