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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Wagen durch die sommerliche Stadt –; sie bekam eine rote Miene vor Zorn, mußte sich den Schweiß von der Stirne wischen und rief aus: »So was ist doch eine bodenlose Gemeinheit! Dabei habe ich jeden Pfennig abgeliefert, und meine Einnahmen waren besser als die aller anderen Damen, das Waisenhaus hat sich eigens bei mir bedankt, und als mir ein Herr nur mal die Hand küssen wollte, da habe ich gleich gesagt, Sie dummer Kerl Sie, lassen Sie das! – und ich hätte ihm eine Ohrfeige versetzt, wenn er sich nicht gleich entschuldigt hätte. Die Menschen sind ja so boshaft – man kann sich noch so lady-like benehmen, sie sagen einem doch etwas Schlechtes nach. Aber jetzt werden ihnen die gemeinen Redensarten vergehen, jetzt stopfst du ihnen den Mund, Hendrik – was?« Dabei warf Frau Bella einen stolzen Blick, erst zu ihrem Sohne, dann auf Barbara. Hendrik litt unter den munteren Taktlosigkeiten der Mama. Er errötete, biß sich die Lippen, und begann schließlich, in seiner Not, von der Schönheit der Straße, durch die man eben fuhr, zu sprechen.
    Der Geheimrat empfing die Damen an der Gartentüre mit der gleichen heiteren Fröhlichkeit, die er am Tage vorher für Hendrik gehabt hatte. Bella und Josy wurden von Barbara nach oben geleitet, wo sie sich geschwind die Hände waschen und die Nasen pudern wollten. Eine Stunde später fuhr man in zwei Automobilen zum Standesamt: im Brucknerschen Wagen nahmen, außer dem Brautpaar, Frau Höfgen und der Geheimrat Platz; in einem Taxi folgten Nicoletta, Josy, die alte Haushälterin und ein Jugendfreund Barbaras, der Sebastian hieß und über dessen Anwesenheit Hendrik etwas verwundert war.
    Die amtliche Zeremonie war schnell erledigt. Nicoletta und der Geheimrat machten die Trauzeugen; alle waren ziemlich aufgeregt, Frau Bella und die kleine Haushälterin weinten, während Josy ein nervöses Lachen hören ließ. Hendrik beantwortete die Fragen des Standesbeamten mit einer belegten Stimme, wobei seine Augen starr wurden und etwas schielten; Barbara hielt ihren sanft forschenden Blick auf den Mann gerichtet, der da neben ihr stand und der nun, überraschender Weise, ihr Gatte sein sollte. – Es folgten Glückwünsche und Umarmungen. Zur allgemeinen Überraschung bat Nicoletta Frau Höfgen mit scharfer Stimme um die Erlaubnis, sie ›Tante Bella‹ nennen zu dürfen, und da sie es gestattet bekam, küßte sie ihr mit diabolischer Korrektheit die Hand. Das imposante Mädchen war heute vormittag besonders blitzblank und von einer klirrenden Heiterkeit. In ihrem weißen panzerartig harten Leinenkleid, zu dem sie einen breiten, grellroten Lackledergürtel um die Hüften trug, hielt sie sich sehr gerade. Zu Barbara sagte sie: »Ich bin froh, meine Liebe, daß alles so gut geklappt hat« – eine etwas sinnlose, jedoch mit schneidender Exaktheit vorgebrachte Bemerkung. Ihre schönen Katzenaugen funkelten. Sie nahm Fräulein Josy beiseite, um sie auf ein hervorragend gutes Mittel gegen Sommersprossen aufmerksam zu machen, das – wie sie plötzlich log – ihr Vater erfunden und im ganzen Fernen Osten eingeführt hatte. »Sie können es gebrauchen, liebes Fräulein!« sprach mit einem drohenden Gesichtsausdruck Nicoletta – die, höchst launischerweise, sich zwar mit Frau Bella, nicht aber mit Josy zu duzen wünschte. »Ihre kleine Nase ist ja ganz entstellt.« Dabei blickte sie mit Strenge auf den Sattel von rötlichen Flecken, der sich über Josys kecke Stupsnase breitete und auch noch einen Teil der Wangen und der Stirn bedeckte, wo die Pünktchen jedoch schon weniger massenhaft, in einer dünneren Verteilung lagen – so wie manche kosmische Spiralnebel oder Milchstraßensysteme an ihren Randgebieten dünner, sparsamer besetzt und gleichsam durchsichtiger werden. »Ja, ich weiß es«, sagte Josy beschämt. »Im Sommer ist das immer so arg bei mir. – Aber Konstantin mag es ganz gerne«, fügte sie, schon wieder getröstet, hinzu, um dann von der guten Stellung ihres Bräutigams beim Kölner Rundfunk zu erzählen. – Barbaras Großmutter, die Generalin, erschien erst zum Lunch. Es gehörte zu den Prinzipien der alten Dame, niemals ein Automobil zu benutzen; die zehn Kilometer, die ihr kleines Gut von der Brucknerschen Villa trennten, legte sie in einer altmodischen großen Kalesche zurück, und sie verspätete sich zu allen Familienfesten. Mit einer schönen, volltönenden Stimme, die sehr tief in den Baß hinunter und sehr hoch in den Diskant hinauf ging, beklagte sie es, daß

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