Mephisto
und aufrichten kann. So ist er zu diesem Wahnsinn gekommen, den er jetzt so stolz seine Gesinnung nennt …«
Hendrik mußte höhnisch durch die Nase lachen. »Wieviel Verständnis du aufbringst für diesen Lausekerl! Wir behandeln ihn schlecht! Das ist köstlich! Wenn ich dergleichen nur höre! – Hast du denn keine Vorstellung davon, wie er und seine Freunde uns behandeln würden, wenn das Pack an die Macht käme?« Hendrik – den Oberkörper vorgeneigt, die Arme in die Hüften gestemmt – fragte es mit wütender Eindringlichkeit.
Barbara sagte langsam, ohne ihn dabei anzusehen: »Gott verhüte es, daß diese Irrsinnigen jemals die Macht bekommen. Ich möchte dann nicht mehr leben in diesem Lande.« Sie schüttelte sich ein wenig, als spürte sie jetzt schon die ekelhafte Berührung der Brutalität und der Lüge, die in Deutschland herrschen würden, wenn die Nazis herrschten. »Die Unterwelt«, sagte sie schaudernd. »Es ist die Unterwelt, die da nach der Macht verlangt …«
»Du aber setzt dich an einen Tisch mit ihr und plauderst!« Hendrik machte große Schritte durchs Zimmer und sah triumphierend aus. »Das ist die edle bürgerliche Toleranz! Nur immer ein feines Verständnis haben für den Todfeind – oder für das, was man heute noch den Todfeind nennt! – Ich hoffe für dich, meine Liebe, daß du dich mit ihr, der Unterwelt, erst recht vertragen würdest, wenn sie einmal an die Macht käme –: du wärest dazu imstande, noch dem faschistischen Terror interessante Seiten abzugewinnen. Euer Liberalismus würde es lernen, sich abzufinden mit der nationalistischen Diktatur. Nur wir, die kämpferischen Revolutionäre, sind ihre Todfeinde – und nur wir werden verhindern, daß sie heraufkommt!« Er stolzierte wie ein Gockelhahn durch Zimmer, ekstatisch schielend und das Kinn gereckt. Barbara aber stand unbeweglich. Hätte Hendrik sie angesehen in diesem Augenblick, er wäre erschrocken vor dem großen Ernst ihres Gesichtes.
»Du glaubst also, ich würde mich abfinden«, sagte sie beinahe tonlos. »Du meinst, ich würde mich versöhnen – mit dem Todfeind versöhnen.«
Wenige Tage später kam es zwischen Hendrik und Miklas zu einem Zusammenstoß, der damit endigte, daß Höfgen die fristlose Entlassung des jungen Schauspielers bei der Direktion des Hamburger Künstlertheaters durchsetzte. Der Anlaß zu der Katastrophe – die für Höfgen ein Triumph, für Hans Miklas aber verhängnisvoll und vernichtend wurde – schien zunächst harmlos.
Hendrik war an diesem Abend in brillanter Stimmung, der Schalk saß ihm im Nacken, er schäumte über von echt rheinischer Munterkeit und überraschte die ehrfurchtsvoll belustigten Kollegen mit immer neuen Schnurren und Scherzen. Gerade hatte er ein ebenso vergnügliches wie ergiebiges Spiel ersonnen. Da er in den Zeitungen nur die Theaternachrichten gründlich las und sich eigentlich nur für Dinge, die das Theater betrafen, lebhaft interessierte, wußte er in den Ensembles aller deutschen Schauspiel-, Opern- oder Operettenbühnen Bescheid; sein geübtes Gedächtnis behielt den Namen der zweiten Altistin in Königsberg, wie der ›übertragenen Salondame‹ in Halle a. d. Saale. Es gab viel Spaß und Gelächter, da Hendrik sich von den Kollegen in seiner sonderbaren Wissenschaft prüfen ließ. Er antwortete prompt, wenn man ihn fragte: »Wer ist der jugendliche Bonvivant in Halberstadt?« – und er blieb die Auskunft nicht schuldig, wenn man wissen wollte: »Wo ist Frau Türkheim-Gävernitz zurzeit engagiert?«
»Als Komische Alte in Heidelberg«, warf Höfgen hin, als wäre dies etwas Selbstverständliches.
Zu der Unannehmlichkeit mit Miklas kam es, als jemand fragte: »Bitte, wer ist die erste Sentimentale am Stadttheater in Jena?« Hendrik erwiderte: »Eine blöde Kuh. Sie heißt Lotte Lindenthal.« Daraufhin mischte sich Miklas ein, der abseits geblieben und nicht mitgelacht hatte: »Warum ist gerade Lotte Lindenthal eine blöde Kuh?« Höfgen versetzte eisig: »Ich weiß nicht, warum sie eine ist; aber sie ist eine.« – Und Miklas, mit einer rauhen und leisen Stimme: »Ich aber kann Ihnen sagen, Herr Höfgen, warum Sie gerade diese Dame beleidigen wollen: Weil Sie genau wissen, daß sie die Freundin eines unserer nationalsozialistischen Führer ist, nämlich unseres heroischen Kampffliegers …«
Hier unterbrach ihn Höfgen, der mit den Fingern hart auf die Tischplatte trommelte und dessen Gesicht vor Hochmut versteinert schien. »Es interessiert mich
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