Mephisto
wild auf ihn. Sie setzen sich mit Herrn Katz und Fräulein Bernhard in Verbindung und bieten erhebliche Abstandssummen, wenn man ihnen den Schauspieler Höfgen für einige Wochen in der Saison überläßt; Es wird viel telephoniert, korrespondiert und verhandelt. Bernhard und Katz sind anspruchsvoll; selbst für schweres Geld wollen sie nicht auf ihren Liebling verzichten. Höfgen ist der Umworbene. Alle wollen ihn haben. Er sitzt in seiner kahlen und feinen Wohnung mit den Stahlmöbeln, lächelt aasig und glossiert mit spöttisch überlegenen Worten den Kampf zwischen Bühne und Film um seine kostbare Person.
Dieses ist die Karriere! Der große Traum verwandelt sich in Wirklichkeit. Man muß nur innig genug träumen können – denkt Hendrik –, und aus dem kühnen Wunschbild wird die Realität. Ach, sie ist herrlicher, als man es jemals zu träumen gewagt! In jeder Zeitung, die er aufmacht, findet er nun seinen Namen – die erfahrene Bernhard sorgt für solche Publizität –, und jetzt wird er immer richtig geschrieben, in schon beinah ebenso fetten Lettern wie die Namen jener altbewährten Stars, deren Ruhm man einst, in der Kantine des Provinztheaters, neidisch verfolgt hat. Auf der Titelseite bringt eine wichtige Illustrierte Hendriks Bild. Was für ein Gesicht wird Kroge machen, wenn er es sieht? Und Frau Konsul Mönkeberg? Und der Geheimrat Bruckner? Alle, die sich Höfgen gegenüber skeptisch und ein wenig hochmütig verhalten haben, werden ehrfurchtsvoll zusammenschauern angesichts seiner Karriere, die nun in schwindelerregend steiler Kurve nach oben führt.
Am Ende der Spielzeit 1929/30 steht Hendrik Höfgen unvergleichlich größer da als an ihrem Beginn. Alles ist ihm geglückt, aus jedem Unternehmen wurde der Triumph. In den Theatern des Professors hat er schon beinahe mehr zu sagen als der Chef selber – der sich übrigens selten in Berlin aufhält, sondern meist in London, Hollywood oder Wien. Höfgen beherrscht Herrn Katz und die Dame Bernhard; längst kann er es sich leisten, mit beiden ebenso ungeniert umzuspringen, wie er mit Schmitz und Frau von Herzfeld umzuspringen pflegte. Höfgen bestimmt, welche Stücke angenommen, welche abgelehnt werden, und mit der Bernhard zusammen teilt er den Schauspielern ihre Rollen zu. Die Dichter, die aufgeführt werden wollen, umschmeicheln ihn; die Schauspieler, die auftreten wollen, umschmeicheln ihn; die Gesellschaft – oder der Klüngel von reichen Snobs, der sich so nennt – umschmeichelt ihn: denn er ist der Mann des Tages.
Alles ist wieder wie es in Hamburg war, nur in größerem Stil, nur in anderen Dimensionen. Sechzehn Stunden Arbeit am Tag, und dazwischen interessante Nervenkrisen. In dem eleganten Nachtlokal ›Zum Wilden Reiter‹, wo Hendrik zuweilen von ein Uhr bis drei Uhr morgens Bewunderer um sich versammelt, sinkt er, das Cocktailglas in der Hand, seufzend vom hohen Barstuhl: es ist eine kleine Ohnmacht, nichts Schlimmes, aber doch schlimm genug, um alle anwesenden Damen kreischen zu lassen; Fräulein Bernhard ist mit stärkenden Wohlgerüchen zur Hand – immer ist eine ergebene Frauensperson in der Nähe, wenn der Schauspieler Höfgen seine Zustände hat. Er gönnt sie sich nun wieder recht häufig, die hysterischen kleinen Zusammenbrüche, die sich vom sanften Schüttelfrost oder der stillen Ohnmacht bis zum Schreikrampf mit konvulsivischen Zuckungen steigern können – und sie bekommen ihm gut, erfrischt wie aus heilsamen Bädern geht er aus ihnen hervor, voll neuer Kraft für seine anspruchsvolle, angreifende und genußreiche Existenz.
Übrigens muß er seltener zu den erholsamen Krisen seine Zuflucht nehmen, seitdem er die Prinzessin Tebab wieder in der Nähe hat. Während des ersten Berliner Winters ließ er die drohenden Briefe der schwarzen Königstochter, die in einem wunderlichen, von orthographischen Fehlern wimmelnden Stil abgefaßt waren, unbeantwortet. Nun aber hat Barbara sich beinah ganz von ihm zurückgezogen: sie erträgt den Betrieb um ihren smarten Gatten nicht; immer seltener kommt sie nach Berlin, ihr Zimmer in dem feinen Appartement am Reichskanzlerplatz bleibt meistens unbewohnt; sie zieht die stilleren Räume im Hause des Geheimrats oder in der Villa der Generalin vor. Da entschließt sich Hendrik, seiner Juliette das Reisegeld zu schicken – das Leben ohne sie entbehrt der Würze, die grimmig blickenden Damen, die mit ihren hohen Stiefeln über die Tauentzienstraße stolzieren, sind kein Ersatz. Prinzessin
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