Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
sind. Also Cicero!«
»Cicero, den finde ich auch super.« Frederike kam, an einem Schokoladencroissant nagend, ins Wohnzimmer.
»Was ist mit dir passiert, ich denke, Latein ist öde?«, fragte Lea überrascht und zwinkerte ihrer Jüngsten zu. »Bist du auch auf den Kopf gefallen?«
»Natürlich nicht. Klar ist Latein öde. Aber die Songs von Cicero sind cool.«
»Okay, Roger Cicero – keine Anwandlung von plötzlicher Zuneigung zur Antike.« Lea klärte die Anwesenden im Wohnzimmer auf. Frederike stopfte sich den Rest ihres Schokocroissants in den Mund und floh vor weiteren heiklen Anspielungen.
Sören stand auf. »Ich hol uns mal eine Flasche Rotwein aus dem Keller. Oder möchtest du heute noch arbeiten?« Diese Frage war an Ullrich gerichtet, von dem Sören wusste, dass er sich hin und wieder an Sonntagnachmittagen in die Praxis zurückzog, um liegen gebliebenen Papierkram aufzuarbeiten.
»Das kommt ganz darauf an, was du mir anbietest«, antwortete Ullrich, »aber tendentiell würde ich deine Frage verneinen.«
»Dann werde ich mich für dich extra ins Zeug legen.«
Sören verschwand in Richtung Weinkeller. Als er zurückkam, hielt er Ullrich das Etikett auf der leicht angestaubten Flasche vor die Nase. Dieser holte die Lesebrille aus der Brusttasche und las laut vor: »›Château Cantemerle 2001 Haut-Médoc‹. Damit ist es wohl entschieden.«
Sören entkorkte die Flasche und goss den rubinroten Wein in die Gläser. Nach dem ersten Schluck und einer ehrfurchtsvollen Pause stellte Sören sein Glas auf dem Tisch ab. Auch auf Lea wirkte der kräftige Rotwein belebend und entspannend zugleich.
»So, zurück zum Thema«, sagte Ullrich mit seinem unnachahmlichen Sinn für das Fassbare. »Lea, hast du irgendetwas in deinen Taschen, im Mantel oder in deiner Handtasche gefunden? Telefonnummern, Unterlagen, Notizen oder sonst was?«
»Nein, meine Handtasche und mein Handy muss ich wohl verloren geben. Kommissar Bender hat mir allerdings gesagt, seine Leute von der Spurensicherung würden heute noch einmal in weiterem Umkreis suchen. – Aber, Moment!«
Lea sprang ungeachtet ihrer schmerzenden Rippe auf und lief in die Waschküche im Keller, die den Beinamen Vorhölle trug, da sie vollgestopft war mit nie kleiner werdenden Wäschebergen, einem Hitze erzeugenden Trockner und eingeweichten Pullovern. Auf einem mittelgroßen Haufen dunkler Wäsche lag ihr mit Erde vom Waldboden, Harz und Tannennadeln verdreckter Mantel. Sie durchsuchte die Taschen und fand die mehrfach zusammengefaltete, durchnässte Broschüre, die sie bereits im Wald entdeckt und gleich wieder vergessen hatte. Vorsichtig versuchte sie, die zusammengeklebten Blätter voneinander zu lösen. Die meisten Seiten waren überraschend gut lesbar, das Bild des dargestellten Gebäudes jedoch hatte am meisten gelitten, und quer über die Abbildung des Parks und der Baumwipfel zog sich ein Schmutzstreifen.
Lea ging wieder nach oben.
»Ich habe etwas gefunden, in meiner Manteltasche.« Sie wedelte triumphierend mit dem Papier, setzte sich in ihre ursprüngliche Position auf das Sofa und las den Text auf der ersten Seite des Faltblatts vor: »›Meditation, Harmonisierung der Seele, Gebetskurse‹ – und hier! Hier kommt es: ›Rückführung in frühere Leben, hypnosegestützt‹!«
Lea lehnte sich zurück.
»Frühere Leben«, wiederholte Ullrich nachdenklich, »die meisten kommen mit dem einen ja kaum zurecht.«
»Na gut, das spielt jetzt auch keine Rolle«, Lea wollte sich im Augenblick nicht mit anderen Menschen beschäftigen, »jedenfalls arbeiten die mit Hypnose. Vielleicht ist Maries Idee genau die zutreffende Erklärung, und ich kann mich deshalb nicht erinnern? Das würde auch erklären, warum ich mich an den Waldspaziergang, aber nicht an dieses ISG erinnere.« Wie meist, wenn Lea verunsichert oder erregt war, neigte sie dazu, unaufhörlich zu reden. »Das würde doch theoretisch hervorragend zusammenpassen, aber wie kann man herausfinden, ob so etwas wie Hypnose oder Suggestion eine Rolle spielt und dann vielleicht auch noch Medikamente, vielleicht ein Wahrheitsserum?« Lea wurde immer aufgeregter. »Vielleicht ist das der Schlüssel zu allem, irgendein hypnotischer Befehl oder eine geheime Order, suggestiv oder so in der Art?«
Nun wurde es Sören zu viel, er erhob energisch Einspruch. »Jetzt mal langsam, wir befinden uns nicht in einer Rateshow für Hobbydetektive, wir wollen vernünftig – und darauf lege ich besonderen Wert –
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