Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
mit dem Handrücken über die Stirn.
»Ich weiß«, sagte Sören, legte ihr den Stauschlauch um den linken Arm und nahm eine Blutprobe.
Am Nachmittag klingelte es an der Haustür. Es war Ullrich. Sören hatte ihm am Tag zuvor von Leas Verschwinden berichtet und dann in der Nacht von Samstag auf Sonntag von ihrer erfolgreichen Suche im Wald. Ullrich umschloss Lea mit seinen kräftigen Armen. »Na, Lieblingskollegin, du machst ja Sachen!« Er schob sie etwas zurück, hielt sie an den Schultern fest und blickte sie forschend an. »Erholt hast du dich bei deiner Nachtwanderung nicht gerade. Wenn es nicht uncharmant klänge, wäre die richtige Wortwahl: Du siehst grauenvoll aus.«
»Danke schön, Ullrich, es ist gut, dass du da bist, aber mir ist überhaupt nicht nach Witzen zumute.«
Ullrich stutzte, etwas in Leas Tonfall kam ihm verdächtig vor. Normalerweise war Lea ein Stehaufmännchen und konnte zumindest im Nachhinein auch an unangenehmen Begebenheiten noch etwas Belustigendes finden. Aber ihre Stimme hatte einen fremden Unterton. Nachdenklich ging er hinter ihr und Sören durch die Diele.
Nachdem sie sich im Wohnzimmer niedergelassen hatten und Marie für jeden eine Teetasse gebracht hatte, erzählte Lea Ullrich die Ereignisse, an die sie sich entsinnen konnte. Sie versuchte, keines der wenigen Details auszulassen und zeigte ihm zu guter Letzt ihren Arm mit der Einstichstelle.
»Und du kannst dich nicht mehr an den Besuch in diesem Institut erinnern?«, fragte Ullrich noch einmal nach, »nicht an das Gebäude und auch nicht an Personen?«
Lea saß in einem viel zu großen Pullover mit angezogenen Knien auf dem Sofa und schüttelte den Kopf. »Mich macht das wahnsinnig, dass ich keine Ahnung habe, was passiert ist. Diese Beule hier«, sie tippte auf die grünblau verfärbte Blessur auf ihrer Stirn, »reicht für eine Gehirnerschütterung mit kompletter Amnesie kaum aus, und der Bluterguss an meinem Rücken fällt als Erklärung ebenfalls aus.« Sie machte eine Pause. »Mein Kopf ist wie blankgefegt; kein Zipfel Erinnerung, kein winziges Detail. Und dann noch diese Einstichstelle. Das ist klar eine Injektionsnadel gewesen.«
»Da hat sie recht«, bestätigte Sören, und Lea fuhr fort: »Marie hat schon die wilde These aufgestellt, ich sei im Wald hypnotisiert worden.«
Ullrichs Blick traf sich mit dem von Sören, der verwundert bemerkte, dass Leas Kollege diese Theorie offensichtlich nicht für völligen Schwachsinn hielt. Ganz im Gegenteil:
»Lea, sei mir nicht böse, wenn das jetzt sehr nach Detektivgeschichte klingt, aber vielleicht hat dieses mysteriöse Institut mit diesem Vorfall mehr zu tun, als wir uns das vorstellen können.« Ullrich setzte sich auf seinem Sessel nach vorne und legte die Fingerspitzen aufeinander. »Nimm doch einmal an, du hättest irgendetwas bei deinem Besuch hinter diesen Klostermauern entdeckt, was du nicht hättest sehen sollen. Wie könnten die wohl verhindern, dass du etwas ausplauderst? Um die Ecke bringen können sie dich nicht so einfach, zumal sie nicht wissen, ob du alleine gekommen bist, oder?«
Lea schnitt eine Grimasse. »Das ist ja schon mal beruhigend.«
»Dich zu bedrohen wäre auch zu unsicher«, fuhr Ullrich fort, »eine Möglichkeit wäre jedoch, deine Entdeckung aus deinem Gedächtnis zu tilgen.«
»Und wie sollte das funktionieren, Ullrich? Ich hätte mich sicher nicht hingesetzt und gesagt: ›Na schön, Ihnen passt nicht, dass ich Sie durchschaut habe. Dann löschen Sie bitte mal kurz mein Gedächtnis, so wie in ›Men in Black‹.‹«
Ullrich zwinkerte Lea zu. »So ist es fein, Lea! Selbst wenn meine wilde Hypothese nicht stimmt, ist wenigstens dein Widerspruchsgeist zurückgekehrt. Aber jetzt mal im Ernst: Wenn im ISG mit allen möglichen Meditationstechniken und Trancezuständen gearbeitet wird, wie du erzählt hast, ist es doch durchaus vorstellbar, dass sie solche Verfahren auch einsetzen, um dich an der Erinnerung zu hindern.«
Sören wollte Einspruch erheben, aber Ullrich ließ sich nicht von seinem Gedanken abbringen. »Vielleicht hat auch die Injektion oder die Blutentnahme etwas damit zu tun?«
Im Wohnzimmer hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
» Hic haeret aqua .«
»Wie bitte? Mensch, Ullrich, mir steht jetzt nicht der Sinn nach deinen lateinischen Sinnsprüchen!«
»Cicero. Heißt so viel wie: Hier stockt es, hier geht es nicht weiter .«
»Ah, gut, dass auch vor zweitausend Jahren solche Misslichkeiten aufgetaucht
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