Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
anderer Art zu machen. Eine Autofahrt mit Lea war üblicherweise eine bunte Mischung aus Statements, kleineren Geschichten, kontroversen Diskussionen und Anekdoten. Auf jeden Fall wäre er nie auf die Idee gekommen, nach einem Radiosender zu suchen, wenn er mit seiner Ehefrau gemeinsam im Auto fuhr. Dieses ungewohnte Schweigen konnte nichts Gutes bedeuten. Bislang war er davon ausgegangen, dass Lea den Schock ihres Ausflugs zu verarbeiten hatte und in nicht allzu langer Zeit wieder komplett hergestellt sein würde. Darin war er sich nun nicht mehr sicher.
Spätnachmittags klingelte das Telefon. Der Laborleiter informierte Sören über die Ergebnisse der Blutuntersuchungen: »Leider – oder zum Glück, es kommt darauf an, wie man es betrachtet – haben wir nichts Auffälliges gefunden.«
»Nichts, überhaupt nichts?«, hakte Sören nach.
»Wir haben eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit; ich denke, die wird durch die unzähligen Hämatome und die Rippenfraktur erklärt. Sonst ist alles im Normbereich. Das Screening auf die gängigen Drogen inklusive Sedativa ist negativ.«
»Und Beimischungen anderer Stoffe?«
»Auch negativ. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass keine Substanz injiziert wurde. Sie ist möglicherweise lediglich unterhalb der Nachweisgrenze.«
Doktor Chi Wai konnte nur das weitergeben, was seine Analysegeräte ihm anzeigten.
»Also muss es, wenn es ein Arzneimittel war, ein schnell wirksames mit einer kurzen Halbwertszeit sein«, überlegte Sören laut.
»Das wäre möglich. Die Auswahl an solchen Substanzen, legal oder illegal, ist riesig. Hat Ihre Frau irgendwelche Veränderungen, Verlangsamung der Motorik, der Sprache oder eine verzerrte Wahrnehmung bemerkt?«
»Nein, sie ist zu sich gekommen und hat Schmerzen gehabt, die mit ziemlicher Sicherheit von den äußeren Verletzungen herrührten.«
»Dann kann man nichts machen, Herr Kollege. Grüßen Sie Ihre Frau und: Gute Besserung!«
»Ich werde es ausrichten, vielen Dank einstweilen für Ihre Unterstützung«, verabschiedete sich Sören von Doktor Chi Wai.
»Nichts?«, fragte Lea, die in Sörens Arbeitszimmer gekommen war und den letzten Teil der Unterredung mitgehört hatte.
»Leider nichts.« Er gab die Information des Laborarztes an Lea weiter, die enttäuscht erwiderte: »Noch eine Sackgasse! Das alles führt doch zu nichts! Letztlich war mein Alleingang das Dümmste, was ich jemals fabriziert habe!«
Sören nahm sie in den Arm. »Es wird das Beste sein, wenn du versuchst, diese Angelegenheit zu vergessen.«
»Vermutlich hast du recht«, fügte sich Lea widerstrebend den Umständen, die sämtlich gegen eine Aufklärung der Ereignisse in nächster Zeit sprachen. Sie löste sich aus Sörens Armen und ging in die Küche, um die Spülmaschine auszuräumen.
Siebzehntes Kapitel
Die darauffolgende Zeit schleppte sich mehr oder weniger ereignislos dahin, zumindest was neue Informationen zu Leas Ausflügen nach Falkenstein und Heidelberg betraf. Irgendwelche Erinnerungen tauchten jedenfalls nicht auf, und mehr, als dass sie sich weiterhin an nichts erinnerte, konnte sie Konstanze von Helmstetten, mit der sie einige Zeit nach ihrem ersten Treffen telefonierte, nicht sagen.
Kommissar Bender und Frau Kurz bekamen wie erwartet Schwierigkeiten mit dem Durchsuchungsbeschluss für das ISG, da unter Hypnose erhaltene Hinweise zur Begründung eines ausreichenden Tatverdachts für eine strafbare Handlung tatsächlich nicht ausreichten. Bender hatte lediglich die Möglichkeit einer neuerlichen Befragung.
Sebastian Schäfer alias Marcion blieb erwartungsgemäß bei seiner Version bezüglich Leas Besuch. Diejenigen Mitarbeiter, die darüber überhaupt etwas wussten, bestätigten weiterhin seine Angaben. Die Stichproben bei Kursteilnehmern des ISG, die Frau Kurz durchgeführt hatte, waren ebenfalls ohne irgendwelche wesentlichen Hinweise geblieben. Die Akte wurde auf Veranlassung von Kommissar Bender zwar nicht geschlossen, aktuellere Straftaten forderten jedoch die Aufmerksamkeit des Kriminalbeamten, und so trat der Fall Susanna van der Neer unweigerlich in den Hintergrund.
Kommissar Bender hatte Marcion gegenüber erwähnt, dass Lea aufgrund eines Sturzes das Erinnerungsvermögen für den Besuch im ISG verloren habe. Er hatte den Eindruck gehabt, dass der Institutsleiter auf die Information mit einem Ausdruck der Zufriedenheit reagiert hatte. Diese Beobachtung hatte ihn darin bestärkt, dass es ratsam war, den Fall Susanna
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