Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
gefährlich, denn sie bringt Zerstörung und zerstückelt das Ganze. Das Verderben kommt überraschend, es gibt keine Verteidigung.
Susanna erinnerte sich an die letzte Zusammenkunft. Sie war erstarrt, als die Offenbarung für sie abermals den Teufel brachte. Diesen Teufel, der sich wie auf Blakes Bild in Form einer Schlange um Eva wand und über sie triumphierte.
Der Teufel raubt die Seele, und es ist ihm gleich, ob diese heil oder zerstört ist. Er möchte sie besitzen.
Susanna trat zum Fenster und blickte hinaus. Die Sonne zeigte sich zwischen den Wolken, schien auf die gepflegten Rasenflächen und die riesigen Laubbäume, die sich vor dem dichten Tannenwald des Taunus ausnahmen wie Giganten, die ihre Arme in alle Himmelsrichtungen streckten. Der Park lud zu Spaziergängen ein, zu einer Verschnaufpause auf Bänken, er hätte ein guter Ort der Sammlung und der Erholung sein können. Doch irgendetwas fehlte. Susanna suchte den Park ab. Sie sah keine Menschen. Es fehlten die in eine Unterhaltung vertieften Spaziergänger, Worte, die man im Vorbeigehen erhaschte, es fehlten die Kinder, die über die Wiese rannten, einfach so, aus Freude am Lauf.
Sie stand am Fenster und spürte, wie die Zeit verging, Sekunde um Sekunde, Minute um Minute, immerfort. Ihr Leben würde in diesem Takt zu seinem Ende finden. Sie begann zu zählen: »Eins, zwei, drei, vier …« Sie versuchte, den Abstand einer Sekunde einzuhalten.
Die Sonne veränderte ihr Licht. Sie sank auf den Wald zu und wurde zu einem rotglühenden Rad. Susanna hatte den Eindruck, als begänne es sich zu drehen, und aus den Speichen sah sie Funken herabfallen auf die dunklen Tannen, die ihre Äste wie Klauen in die Glut tauchten.
Sören konzentrierte sich auf die überfüllte Autobahn. »Mensch, pass doch auf!«, schimpfte er, als ein Wagen ihn rechts überholte und mit halsbrecherischem Zickzackkurs an anderen Autos vorbeisteuerte. »Irgendwann landen die alle in der Unfallchirurgie oder in der Rechtsmedizin.« Er schaute auf den Tachometer. »Hier sind 120 km/h erlaubt, das waren mindestens 200!«
»Was mache ich denn jetzt?«, fragte Lea. »Ich kann doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und darauf warten, dass ich irgendwann wie ein ferngesteuerter Zombie Befehle ausführe?«
»Es wird uns nichts anderes übrig bleiben als abzuwarten«, meinte Sören. »Du hast ja gehört, was Kommissar Bender gesagt hat. Sie werden ihre Ermittlungen beim ISG intensivieren. Aber er hat auch eingeräumt, dass es schwierig werden kann, einen Durchsuchungsbeschluss aufgrund von Erkenntnissen zu bekommen, die unter Hypnose gewonnen wurden.«
»Die Situation beim Ermittlungsrichter stelle ich mir für Kommissar Bender nicht gerade vergnüglich vor.« Lea rutschte auf dem Beifahrersitz ein Stück nach unten und zog ihre Schuhe aus. »Weißt du, das ergibt doch gar keinen Sinn.«
»Was?« Sören versuchte, aus einer Lücke zwischen zwei Lastwagen heraus wieder auf die linke Spur zu kommen.
»Was ergibt keinen Sinn?«, fragte er noch einmal, da Lea sich ebenfalls auf den Verkehr konzentriert hatte.
»Diese Verbindung zwischen Kursen in spiritueller Selbsterfahrung, Sekten und Hypnose. So wie es aussieht, haben Sekten ihre Mitglieder durch Gruppenzwang oder eine strenge Hierarchie unter Kontrolle. Was sollen da bitte Hypnose und Befehle, an die sich keiner erinnert? Das ist geradezu widersinnig.«
Sören fühlte sich unsicher in dieser fremden Welt, aber er versuchte, sich hineinzudenken, schon weil er wusste, dass Lea das Gespräch darüber brauchte, um mit ihrer Verwirrung fertig zu werden.
»Vielleicht werden unter Hypnose Gefühle suggeriert wie Geborgenheit, Wohlbefinden und Angstfreiheit?«
»Hm, kann ja sein«, kam es zögernd von Lea.
»Und die Menschen, die das einmal erlebt haben, möchten dies immer wieder.«
»Das hat Frau von Helmstetten ja auch angedeutet«, erinnerte sich Lea.
»Genau. Und als Geschäftsidee – da man ja wohl wirklich viel Geld mit solchen Kursen verdienen kann – klingt es durchaus schlüssig«, sagte Sören.
»Das mag sein, aber du vergisst etwas Wesentliches.«
»Was denn?«
»Ich bin nicht süchtig nach diesem Erlebnis geworden, ich fühle mich schrecklich.«
Schweigend schauten sie beide auf die Fahrbahn.
»Sören?«
»Hm.«
»Warum hat sich jemand solche Mühe gegeben, meine Erinnerung zu blockieren?«
»Ich weiß es nicht, Schatz.«
Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend. Sören begann, sich Sorgen ganz
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