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Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Heeger
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Theodor-Heuss-Brücke überquert hatte, bog sie rechts ab auf die Rheinstraße, fuhr bis zum Hotel Mainzer Hof , um sich dann links einzuordnen Richtung Mainzer Haup t bahnhof. Sie fuhr gerne durch die Stadt, denn die Autobahnstrecken gaben ihr das Gefühl, in einem gigantischen Straßennetz gefangen zu sein, das nur die Städte verband, nicht die Menschen. Wenn sie dagegen die Passanten auf den Bürgersteigen betrachten konnte und an Gaststätten, Kirchen und Läden vorbeifuhr, beruhigte sie das in gewisser Weise.
    Sie kam gut durch die Innenstadt und befand sich zehn Minuten später bereits an der Kirche St. Stephan, mitten im alten Ortskern von Gonsenheim. In der Kirchstraße fand sie einen Parkplatz. Nachdem sie ihre Reisetasche aus dem Kofferraum geholt hatte, überquerte sie die gepflasterte Straße und schloss die Haustür des mehrstöckigen Fachwerkgebäudes auf.
    Das Treppenhaus war nicht hell, aber die alten Holzgeländer glänzten frisch poliert. Die seltenen Jugendstilschnitzereien am Ende des Handlaufes hatten einige Lichtstrahlen eingefangen, die durch das Fenster im Zwischengeschoss hereindrangen. In der rechten Hand die Reisetasche, hielt sie sich mit der Linken fest. Ihre Finger umschlossen das dunkle, glatte Holz des Geländers.
    So wenig sie auch eingepackt hatte, sie musste auf dem ersten Treppenabsatz stehen bleiben, um Atem zu schöpfen. Sie sollte sich mehr bewegen, öfter hinaus an die frische Luft, nahm sie sich vor.
    In der Wohnung stellte sie die Tasche ab und ging im Wohnzimmer zielstrebig zum Sekretär. Auf der Fahrt nach Mainz hatte sie an den Traum der vergangenen Nacht gedacht. Diese Brücke … die Verbindung zwischen zwei Ufern … zwei Welten … Erinnerungen an längst vergangene Zeiten hatten sich zwischen die Traumbilder geschoben. Schöne Erinnerungen.
    Es waren Erinnerungen an die Zeit, die sie mit ihrer Mutter in England verbracht hatte, an den Versuch eines Neuanfangs nach drei Jahren Labyrin t h. Sie hatten sich einige alte Schreibtische angesehen, die dem Sekretär glichen, vor dem sie jetzt stand. Ihr Vater hatte sie damit beauftragt. Aber sie hatte gewusst, dass die geschäf t lichen Interessen nur ein Vorwand waren, um ihr eine Rückkehr in ihr altes Leben zu ermöglichen. Eine Brücke in die Vergangenheit, in zweierlei Hinsicht.
    Gemeinsam mit ihrer Mutter war sie mit dem Intercity nach Calais gefahren, und von dort hatten sie die Reise nach Dover mit der Fähre fortgesetzt. Ihre Mutter hatte auf diesem Reiseweg bestanden, in der Hoffnung, die glücklichen Zeiten kämen zurück, wenn sie Al t bekanntes wiederholten. Vielleicht hatte sie die gleiche Hoffnung gehabt.
    »Man kann nicht zweimal in denselben Fluss springen«, war ein Lieblingsspruch von Alexander, der ihr nach der Reise in den Sinn gekommen war. Natürlich hatte er recht.
    Susanna dachte an die Stunden auf dem Schiff, daran, wie sie neben ihrer Mutter an Deck gesessen hatte, an diesem stürmischen Tag mit heftigen Böen, einer schweren Dünung und den graublauen Wellenbergen, die am Horizont immer kleiner wurden. Wenn man sich an die Reling stellte, konnte man ihre wahre Größe und Wucht erkennen. So war das: Man musste nah herankommen an die Dinge, um sie als das zu begreifen, was sie waren. Es war damals nichts Bedrohliches an den riesigen Wasserbergen gewesen, das Fährschiff hielt zuverlässig seinen Kurs, der Bug hob und senkte sich in erstaunlichem Gleichmaß, ein sanftes Wiegen.
    Sie hatten sich Decken genommen, um den kühlen Wind abzuhalten, und eine Zei t lang schweigend auf das bewegte Wasser geblickt, auf dem sich weiße Schaumkronen gezeigt hatten. Kreischende Möwen hatten das Schiff wie eine Eskorte begleitet, ihre schrillen Schreie hatten sie zusammenzucken lassen.
    »Was ist mit dir geschehen?«, hatte ihre Mutter behutsam gefragt, mit Unsicherheit in der Stimme, »willst du es mir nicht erzählen?«
    Sie hatte auf das Meer geblickt und den Kopf geschüttelt. Auch wenn sie gewollt hätte, wäre ihr keine Antwort eingefallen. Sie selbst hatte sich diese Frage tausendmal gestellt und keine Erklärung finden können. So musste sie stumm bleiben.
    »Susanna, lass uns von vorne anfangen, nimm es wie einen Albtraum. Du hast schon als Kind schlecht geträumt und bist in deiner Verzweiflung zu deinem Vater und mir gekommen.«
    Ihre Mutter hatte die Hand sachte auf ihren Unterarm gelegt. Eine leichte Berührung nur, aber verbunden mit der Erinnerung an den Trost, den sie als Kind noch so einfach

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