Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
waren die Möglichkeiten zum Müll-Sparen begrenzt. Sie öffnete mit dem Ellenbogen die Haustür, was Lilly ausnutzte, um in den Garten zu entwischen, ging zur Biomülltonne und hob den Deckel. Hier lagen die Reste von Lillys Fell, das sie gestern ausgekämmt hatte. Hell und flockig lag es über Pellkartoffelschalen, Kaffeefiltertüten und verwelkten Blumen. Wie eine Wolke, weiß und warm. Eine Wolke, die sie einhüllte. Die Stimme. »Wir haben Cleo angerufen.«
Lea ließ den Deckel der Biomülltonne fallen. Da war etwas. Sie hatte etwas Neues, eine zweite Stimme. Nicht die Stimme aus dem Büro. Und sie hatte die Verbindung zu Cleo! Sie rannte ins Haus.
»Bender!«
Einundzwanzigstes Kapitel
Sie hatte zu lange auf der feuchten Bank gesessen und merkte jetzt, dass ihre Hose nass geworden war. Vor der täglichen Zusammenkunft musste sie sich dringend umziehen. Der Seiteneingang neben dem Portal war meist geöffnet, und so schlüpfte sie schnell hindurch, ihr blieb wenig Zeit. Sie lief den Gang hinunter, der zu ihrem Zimmer führte, begegnete anderen Kursteilnehmern. Diejenigen, die sie kannten, grüßten sie. Auch Philipp kam ihr mit eiligem Schritt entgegen. Er freute sich offenbar, sie zu treffen. Er sah bedeutend besser aus als bei seiner Ankunft. Sein Gesicht hatte damals die ungesunde graue Farbe derjenigen gezeigt, die ihre Zeit in Büros, unter Leuchtstoffröhren, am Computer und in Sitzungssälen verbringen und den freien Himmel nur beim Einsteigen in ihren Wagen sehen, das heißt, wenn sie nicht in der Tiefgarage parkten. Er war seit einer Woche in verschiedenen Kursen mit ihr zusammen und hatte sich von Tag zu Tag verändert. Zuerst hatte er sich seine Umgebung angeschaut und schien wirklich etwas zu sehen, dann war ein Lächeln hinzugekommen, und zuletzt hatte er einen anderen Kursteilnehmer umarmt, um ihn zu trösten. Ihn selbst schien das am meisten überrascht zu haben, denn eine leichte Röte hatte sein Gesicht überzogen.
Susanna wusste, dass er bei ihrem letzten Treffen den Wagen erhalten hatte, ein aus ihrer Sicht passendes Thema. Sie wusste, dass er in einer Bank arbeitete, immer unter Druck, um den Erfolg unter allen Umständen und mit allen Mitteln zu realisieren. Er hatte die Peitsche hinter seinem Rücken ignoriert, bis er zusammengebrochen war. Ja, der Wagen des Triumphes, der die Menschen antrieb und den beständigen Wunsch nach mehr schürte, aber ihnen damit den Zugang zum Woher und Wohin erschwerte.
»Schön, dich zu sehen«, Philipp hatte sie an beiden Schultern gefasst und sah ihr in die Augen, »es geht dir nicht gut, oder?«
»Nein, ich bin in Sorge, was die nächste Zusammenkunft bringt, außerdem hat Madeleine …«
Philipp unterbrach sie: »Wir müssen uns beeilen, wir sehen uns nach der Zusammenkunft.«
»Du hast recht, ich muss mich nur rasch umziehen.«
Philipp ließ ihre Schultern los und ging eilig in Richtung Versammlungsraum davon.
Als Susanna an der angelehnten Tür zum Büro vorbeikam, hörte sie die erzürnte Stimme Marcions. »Das darf einfach nicht passieren«, rief er, »das ist dilettantisch! Wenn die Geschichte bekannt wird, können wir einpacken.«
Eine Frauenstimme brachte nur ein Schluchzen hervor. Dann stammelte sie: »Ich weiß nicht, wie die Belgierin an die Info gekommen ist. Ich habe die CDs immer unter Verschluss.«
Die vom Weinen und Schluchzen veränderte Stimme gehörte Barbara Hinke, die sich mit Dana Schlüter die Verwaltungsarbeiten des ISG teilte.
Susanna blieb wie versteinert vor der Tür stehen.
»Du wirst die Datei auf dem PC vergessen und den Monitor nicht ausgeschaltet haben. Da können wir ja gleich ein Auskunftsbüro aufmachen!«
»Vielleicht hat Dana etwas damit zu tun. Vielleicht ist ihr ein Fehler unterlaufen?«
»Das ist mir scheißegal, wer diese Schlamperei zu verantworten hat! Es wird jedenfalls Konsequenzen haben. Ich bin von einem Haufen Idioten umgeben!«
Susanna hörte, wie eine Person erregt im Zimmer auf und ab ging. So derb und vulgär hatte sie den Institutsleiter nie erlebt. Das war ein anderer Marcion. Sie hörte, wie ein Schreibtischstuhl zurück- und wieder vorgeschoben wurde.
»Du machst mir eine Verbindung mit Thierry in Paris.«
Offensich t lich wurde er von der Frau dazu leise etwas gefragt.
»Ja, natürlich«, kam die gereizte Antwort. »Immer noch in der Rue Chabrol, gleiche Telefonnummer.«
»Wie ist die Vorwahl von Frankreich?«, kam es nun etwas deu t licher von der weiblichen Stimme, und Marcion
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