Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
Datenerfassung im ISG.«
»Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Fahndung Erfolg hat?«, erkundigte sich Lea.
»Wenn der Gesuchte nichts davon weiß, ist die Chance, ihn aufzuspüren, recht groß, da sämtliche Datenerfassungssysteme beteiligt sind. Es werden Ticketschalter, Geldautomaten, Hotelreservierungen, Mietwagenbuchungen und sonstige Kartenzahlungen, die elektronische Spuren hinterlassen, überwacht.«
»Und wenn derjenige weiß, dass man ihm auf der Spur ist?«
»Dann wird es wesentlich schwieriger«, antwortete Bender. »Er kann unter falschem Namen ein Taxi bestellen, kann überwiegend mit Bargeld bezahlen oder, wenn er Helfer hat, über deren Namen Reservierungen und Buchungen tätigen.«
»Über so etwas macht man sich normalerweise überhaupt keine Gedanken«, bemerkte Lea. »Da kann man nur hoffen, dass Frau Schlüter ahnungslos ist.«
Nebenbei überlegte sie, ob sie wohl jemals in ihrem Leben würde untertauchen müssen.
»Das hoffen wir auch«, sagte Bender. »Wir melden uns, wenn es etwas Neues gibt.«
»Gut, ich ebenfalls. Einen schönen Restnachmittag«, verabschiedete sich Lea von Franz Bender. Wie sagte Ullrich immer: Felix qui potui … und irgendwas mit causas . Lea bekam den lateinischen Satz nicht vollständig zusammen, aber an die deutsche Übersetzung erinnerte sie sich: Glücklich der, welcher den Grund der Dinge erkennen kann .
Er beugte sich zu Susanna hinüber und legte seine Hand auf ihre Schulter, ein sanfter Druck, der nicht unangenehm war. Sein Körper strahlte eine maskuline Energie aus, sie nahm den Duft von Zedernholz und Ambra wahr.
Sie blieb ruhig und hielt ihren Blick auf die brennende Kerze in der Mitte gerichtet. Dann lauschte sie. Heute sprach er zu ihr, sie wusste es genau.
»Die Welt, die du siehst, erfüllt nicht die Sehnsucht deines Geistes. Jenseits dieser Welt gibt es eine Welt, die dir gibt, wonach dein Herz und deine Seele verlangen. Du siehst die Sonne als Zeichen der Unsterblichkeit, du siehst den Priester aufrecht in seiner Glaubensgewissheit. Es ist nur ein Übergang. Nimm Abschied, befreie dich von den Dingen, die dich binden.«
Susanna atmete schwerer. Sie wusste, dass er sie mit diesen Worten vorbereiten wollte.
Er verließ den Platz neben ihr, trat in die Mitte des Kreises zurück und stellte sich an einen runden hohen Tisch, auf dem eine Decke aus blauem Samt lag, reich verziert mit goldenen Ornamenten und dem Symbol der Sonne. Unter dem flackernden Schein von drei weißen Kerzen schlug er das Buch auf, das auf dem Tisch lag. Die altmodische Feder mit dem Griff aus Ebenholz hatte er danebengelegt.
Nun hob er seine Arme über den Tisch, wie segnend, schloss die Augen und stand einige Minuten ohne jede Bewegung. Das Schattenspiel der Flammen an den Wänden war das einzig Bewegte in dem Raum. Ein geheimnisvoller Tanz.
Der Mann öffnete seine Augen und nickte einer Frau mit ro t blonden Haaren zu, die vor Susanna stand. Ohne zu zögern ging sie aufrecht und mit gleichmäßigen Schritten zu ihm hin.
»Das Consolamentum empfange. Die Sünden werden dir vergeben. Deine Seele wird heil. Du wirst deinem Besitz entsagen. Die Reinheit des Geistes wird fortan dein Leben bestimmen.«
Marcion überreichte der jungen Frau feierlich den Federhalter, und sie unterzeichnete das Schriftstück. Einer nach dem anderen trat in die Mitte und nahm den Federhalter. Nur noch einen kurzen Moment, und sie würde an der Reihe sein.
Wie von selbst setzten sich ihre Füße in Bewegung. Sie nahm den Federhalter in die Hand und wunderte sich, wie glatt und weich sich der Griff anfühlte, wie mühelos sie ihren Namen unter das Schriftstück setzen konnte. Ihre Hand bewegte sich ruhig über das Papier. Sie betrachtete ihre Unterschrift: ein wenig unsicher, aber gut zu lesen. Sie hatte es getan, sich gelöst von dem Ballast, der ihre Seele beschwerte. Es war Zeit, etwas Neues zu beginnen, und sie würde den Mut haben.
Nachdem der Letzte im Kreis wieder an seinen Platz zurückgekehrt war, betrat Marcion erneut ihre Mitte.
»In diesem heiligen Moment werdet ihr erkennen, dass es keine Grenze gibt zwischen euch und dem Befreier, dass er keine weiteren Opfer braucht, um zu erlösen und seine Gnade zu gewähren. Er braucht nur die Kraft eures Glaubens und den Willen, ihm auf dem Weg zu folgen. Erkennt, dass alle Wege zu ihm führen!«
Marcion blickte jedem Einzelnen in der Runde fest in die Augen.
»Ihr habt heute eine wichtige Entscheidung getroffen. Das
Weitere Kostenlose Bücher