Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
Computervirus auf ihrem Praxisrechner getummelt und zwei Tage lang den Betrieb behindert hatte, war Lea übervorsichtig mit allen Speichermedien. Doch Jonas steckte unbekümmert das Metallende in den entsprechenden Anschluss und klickte mit dem Cursor auf »Öffnen der Datei«.
Die Datei enthielt Zahlen- und Buchstabenkolonnen.
»Sieht aus wie die Datei von einem Gebrauchtwagenhändler«, vermutete Jonas. »Hier zum Beispiel die Reihe ›D–HH–125, 16000,– 1600,–‹. Oder hier: ›D–OF–161, 176000,– 1760,–‹. Wobei«, er ging die Listen durch, »dieser Gebrauchtwagenhändler müsste in ganz Europa Wagen verkaufen und zwar ganz verschiedene Modelle. Schau mal: ›GB–SM–239, 254000,– 25400,–‹«. Jonas stockte. »Das ist aber kein richtiges englisches Nummernschild, die sehen anders aus.«
»Und wenn die Wagen überführt werden und deutsche Schilder bekommen?«, überlegte Lea.
»Dann steht aber nicht mehr GB davor«, widersprach Jonas. »Von wem hast du das Ding überhaupt?«
»Keine Ahnung, weder auf dem Briefumschlag noch auf dem Stick gibt es irgendwelche Namen.«
»Wieso sollte irgendein Gebrauchtwagenhändler dir seine Geschäftsdaten anonym zuschicken? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«
Lea blickte ratlos auf den Bildschirm mit den verschlüsselten Daten. Jonas überlegte schon weiter: »Vielleicht rufst du deine Freunde bei der Kripo an. Die haben doch bestimmt die Möglichkeit, den Briefumschlag und den Stick auf Fingerabdrücke und so weiter zu untersuchen.«
»Das wird das Beste sein«, stimmte Lea zu, während Jonas die Datei schloss und den USB-Stick entfernte.
»Der Briefumschlag, o nein!« Lea hatte ihn auf die Treppe gelegt, und da Lilly Papier gern als Jagdtrophäe betrachtete, war der Umschlag dort hochgradig gefährdet. Aber er lag noch unversehrt auf dem Treppenabsatz. Mit spitzen Fingern hob sie ihn auf und packte ihn in eine Klarsichthülle. Sie hatte schon einige Fernsehkrimis gesehen und erinnerte sich an den mutmaßlich fachgerechten Umgang mit Beweisstücken.
Was, wenn dieser Stick etwas mit dem ISG zu tun hätte? Sie wählte die Handynummer von Kommissar Bender. Der war offensichtlich gerade unterwegs, was am Keuchen, das durch das Telefon kam, deutlich zu hören war. Der Kommissar war überrascht, als sie ihm von der merkwürdigen Sendung berichtete.
»Der lag in der normalen Privatpost?«, fragte er nach. »Ich schicke jemanden vorbei, der Stick und Umschlag bei Ihnen abholt. Wir werden sie der Spurensicherung und unseren Computerexperten vorlegen, vielleicht können die bei ihrem Datenabgleich etwas herausfinden.« Er machte eine Pause. »Wie geht es Ihnen? Sind noch andre Erinnerungen aufgetaucht?«
Lea seufzte. »Leider nicht.«
»Nun, dann müssen wir Geduld haben.«
Nach einem kurzen Moment überraschte Franz Bender Lea mit einem ganz anderen Gedanken: »Diese Frau Schlüter …«
»Was ist mit der?«
»Das wissen wir eben nicht. Frau Kurz, die sich beim ISG noch mal nach ihrem Verbleib erkundigt hat, hatte den Eindruck, dass allein die Frage schon für Irritationen gesorgt hat. Kurz darauf wollte sie Frau Schlüter zu Hause aufsuchen, hat sie jedoch an der gemeldeten Adresse nicht angetroffen.«
»Vielleicht ist sie wirklich in einen längeren Urlaub gefahren?«
»Unwahrscheinlich, denn ein älterer Herr aus der Wohnung darunter gab an, er kümmere sich normalerweise um die Haustiere, Schildkröten, wenn Frau Schlüter längere Zeit verreist sei. Außerdem würde eine Mitarbeiterin, die im Verwaltungsbereich an zentraler Stelle sitzt, ihren Arbeitgeber über einen längeren Urlaub informieren, denke ich. Es sei denn, ihr Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber war problematisch.«
»Und jetzt?«, fragte Lea weiter.
»Frau Kurz hat eine Nachricht in den Briefkasten geworfen, dass Frau Schlüter sich bei uns melden soll, sobald sie zurück ist.«
»Haben Sie vielleicht ein Bild von diesem Herrn Schäfer?«, fragte Lea, einer plötzlichen Eingebung folgend.
»Nein, aber meine Kollegin hat neulich im Internet eine Präsentation des Instituts gefunden. Auf einer Fotografie dort ist er zu sehen. Wollen sie es sich anschauen?«
»Vielleicht erinnere ich mich dann endlich … Wäre doch schön, wenn ich mal etwas Bedeutendes aus meiner Erinnerung ausgraben könnte.«
Bender fühlte sich aufgefordert, sie zu bremsen. »Solange wir nicht wissen, was dieses Institut in Wirklichkeit treibt und was mit Ihnen geschehen ist, sollten Sie vorsichtig
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