Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
schimpfte: »Was kannst du eigen t lich? Soll ich auch noch das Büro übernehmen?«
»Entschuldige …«
»Ich will nichts hören! Wähl die 0033 und, warte: Nimm die Mobilnummer, die steht im PC hinter den Abrechnungen.«
Susanna stand weiter wie gebannt vor der Tür. Drinnen hörte sie das Tippen auf der Tastatur des Telefons und einige ungeduldige Schritte Marcions.
»Thierry, ich bin es, wir müssen unsere Planung ändern. Die Nummer 003271254565 muss heute oder spätestens morgen angerufen werden. Die Zahl ist die 21.«
Dieser Thierry erkundigte sich offensich t lich nach dem Grund der Änderung, denn Marcion erwiderte ungeduldig: »Es muss eben sein! Madeleine hat was mi t bekommen, ich weiß nicht genau, was, aber die Sache ist zu heiß. Wer weiß, wem gegenüber sie schon geplaudert hat!«
Thierry schien Einwände zu haben, denn Marcion schwieg kurz. Susanna hörte von Ferne Chorgesang aus einem Raum.
»Nein, es geht nicht anders! Hast du mich verstanden? Es bleibt dabei: heute oder morgen. Ja, die Zahl stimmt, sie wird Fenster zur Ewigkeit genannt. Passt doch.«
Susanna hörte die Absätze der Frau auf dem Holzboden des Büros klackern, dann das Schließen einer Schublade. Marcion telefonierte weiter.
»Die Abrechnung kommt, wenn wir unsere Angelegenheiten geregelt haben. Cleo hat auch schon gefragt, sie ist wohl etwas klamm. Also, vermassle es nicht!«
Das Telefonat war beendet, und Susanna konnte hören, wie Schubladen auf- und wieder zugeschoben wurden. Sie wagte während der Geräusche, die aus dem Zimmer drangen, wieder richtig zu atmen. Vor Anspannung hatte sie die Luft angehalten. Was sollte das alles? Was hatte das mit Madeleine zu bedeuten, und was hatte diese herausgefunden?
Sie setzte sich leise, vorsichtig in Bewegung, fort von dieser Tür, und war schon ein paar Schritte von dem Raum entfernt, als die Tür des Büros aufgerissen wurde und Marcion misstrauisch auf den Gang sah.
Susanna bemerkte hinter ihrem Rücken seine Schritte. Sie zwang sich dazu, locker weiterzulaufen, widerstand dem Impuls, sich umzudrehen. Nachdem sie zu dem Gang, in dem ihr Zimmer lag, gekommen war, verlangsamte sie ihren Schritt. Nun erst nahm sie wieder die feuchte Kälte der durchnässten Hose wahr, schloss die Zimmertür auf und ging zum Schrank. Während sie eine frische Hose anzog, beschloss sie, nach der heutigen Meditation Kontakt mit Madeleine aufzunehmen. So schwer konnte es nicht sein, ihren Aufen t haltsort herauszufinden. Vielleicht hatte Philipp eine Adresse oder sogar ihre Telefonnummer?
Sie wurde ruhiger. Sie würde Madeleine nach der Bedeutung der Worte auf dem Zettel fragen. Vielleicht gab es eine einfache Erklärung für diesen Aufruhr. Jetzt aber musste sie sich auf die Versammlung konzentrieren. Eins nach dem anderen. Sie knöpfte den Bund der Baumwollhose zu und streifte das weiße Gewand über. Wenige Minuten später stand sie im Versammlungsraum unter all den anderen. Aber es fiel ihr nicht leicht, sich auf die Meditation einzulassen; sie spürte ihre Gedanken zu Madeleine abschweifen und musste sich ständig zurückzwingen zu dem purpurfarbenen Teppich auf dem Bild, den es anzusehen galt.
»Wir meditieren über die Energie der Farbe Rot … Rot, die Farbe von Mars, dem Kriegsgott … Er, der zum Handeln zwingt, die Menschen nach vorne treibt, der jeden Stillstand auflöst … Rot und Purpurrot, die Farben der Könige, des Kampfes und des Blutes … Viele Opfer fordert Mars für seinen Einsatz. Wir wenden uns dem Thema des Opfers zu.«
Die Meditationsbegleiterin kannte Susanna bereits, eine unscheinbare Person, die mit ruhiger Stimme die Themen vorstellte und sie mit ihren Gedanken führte. Sie hatte nicht die magische, einschmeichelnde Stimme Marcions, ihre Worte kamen klar voneinander abgegrenzt aus ihrem Mund, als handelte es sich um ma t hematische Formeln oder chemische Gleichungen.
»Jeder hat sein persönliches Opfer, genauso wie seine persönliche Schuld. Wir nehmen die Position des Büßers ein und versuchen, uns der eigenen Offenbarung in dieser Haltung zu nähern.«
Susanna wusste, was sie zu tun hatte. Sie beschwor das Bild ihrer Offenbarung, so wie man es ihr gezeigt hatte: Der Tod auf dem weißen Pferd. Die Position, die sie einzunehmen hatte, war die Figur des Kindes, das den Tod auf dem Pferd ansieht – ungläubig und staunend, aber ohne Entsetzen. Der Tod bezeichnete Ende und Anfang einer Reise, das Alte musste sterben und Platz schaffen für das Neue. In
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