Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
sein.«
»Womit vorsichtig?«, fragte Lea. »Mit meiner Erinnerung?«
»Prinzipiell vorsichtig, meine ich. Wenn Ihnen etwas merkwürdig vorkommt in Ihrer Umgebung … und überhaupt …«
Franz Bender hatte offenbar das Bedürfnis, sie zu beschützen, was Lea rührte.
»In Ordnung«, sagte sie, um ihm eine Freude zu machen. »Aber ich schaue mir später diese Internetseite einmal an. Vielleicht geschieht ein Wunder, und ich habe eine Salve von Geistesblitzen.«
»Einverstanden. Warten Sie bitte, ich frage Frau Kurz nach der Internetadresse mit dem Bild von Herrn Schäfer.«
Kurz darauf tippte Lea ihrem Sohn auf die Schultern. Jonas zog sich erneut die Stöpsel aus den Ohren und wollte schon protestieren. Mit einem Blick deutete er jedoch den entschlossenen Gesichtsausdruck seiner Mutter richtig und sah davon ab.
»Ich brauche wieder deine Hilfe. Sei so gut und rufe diese Internetseite auf.« Lea hielt Jonas den Zettel hin.
»Mama, das kann jedes Kind, versuch es einfach mal alleine.«
Lea sah sich zu ungünstiger Zeit mit dem Ergebnis ihrer eigenen Erziehung konfrontiert. Bei Schwierigkeiten hatte sie ihre Kinder immer aufgefordert, die Probleme selbst zu bewältigen. »Weiß ich. Ich will aber nicht alleine. Mach schon!«
»Von mir aus«, brummte Jonas.
Lea sah bewundernd zu, wie er mit flinken Fingern die Tastatur bediente. Wenige Sekunden später waren sie auf der Startseite des ISG. Zwischen den Seiten mit Fotos über die luxuriöse Anlage fanden sie das Bild des Institutsleiters Sebastian Schäfer, der sich auch in der Internetdarstellung Marcion nannte.
»Sieht nicht schlecht aus«, bemerkte Jonas, »könnte man notfalls als James Bond einsetzen.«
Lea betrachtete ausführlich das Gesicht des Mannes. Wirklich, er sah nicht schlecht aus. Das markante Gesicht mit den welligen Haaren gab ihm in der Tat etwas Anziehendes, fast Verwegenes. Die gerade Nase und die geschwungene Lippenkontur fand man bei antiken Darstellungen von Apollon oder Mars.
Lea konzentrierte sich auf die Augen des Mannes.
»Kannst du das Bild vergrößern?«
Statt einer Antwort klickte Jonas zweimal mit der Maustaste. Lea vertiefte sich in die Augen, die auf den Betrachter gerichtet waren.
»Und, was ist? Kennst du den Typen?«
Lea schüttelte den Kopf.
»Irgendwas stört mich an dem Bild, ich weiß nicht, was … Schau dir mal die Augen an. Die sind so blau, das ist fast unnormal.«
»Man kann Fotos bearbeiten, Mama. Außerdem gibt’s farbige Kontaktlinsen.«
»Wofür braucht man denn so was?«
»Sieht vielleicht cooler aus, irgendwie abgespaceter.«
»Abgespaceter«, wiederholte Lea den Kommentar von Jonas. Ihr fiel eine Szene aus dem Film »Ben Hur« ein. Jener sah für einen kurzen Augenblick in die Augen von Jesus. Die waren ebenfalls von einem unwirklich intensiven Blau.
»Danke, Jonas.« Lea war frustriert.
»Ich kann dir den Typ auch ausdrucken, dann kannst du ihn dir aufs Nachtkästchen stellen. Vielleicht aktiviert das dein Gedächtnis.« Hinter dem flapsigen Ton klang deutlich Jonas’ Anteilnahme am Problem seiner Mutter durch.
»Gute Idee, mach mal«, sagte sie deshalb, mehr, um auf das Engagement ihres Sohnes einzugehen, als aufgrund der Hoffnung, das Foto Marcions könnte ihrer Erinnerung auf die Sprünge helfen.
Susanna saß auf einer Bank und wartete, dass der Anruf, den sie von ihrem Handy getätigt hatte, entgegengenommen wurde. Der Park war wie so oft verlassen, zumal die Witterung sich feucht und diesig zeigte, eine unangenehme Seite dieser Jahreszeit. Auch der nahegelegene Wald strahlte eine nasse Frostigkeit ab, die einen mit Sehnsucht an den Frühling denken ließ. Am anderen Ende meldete sich die bekannte Stimme. Susanna war fast erleichtert, dass sie es war, die das Telefonat entgegennahm, und begann: »Hallo, ich bin es, ich muss dich sprechen.«
»Was ist denn jetzt schon wieder?« Die Gereiz t heit war durchs Telefon spürbar. »Was willst du? Ist dir ein Geist erschienen? Hattest du die üblichen Albträume? Oder hat sich sonst irgendeine Katastrophe ereignet?«
»Nein, Cleo, nichts davon, wirklich nicht«, wiegelte sie entschuldigend ab, »es ist etwas anderes. Eine Kursteilnehmerin, sie heißt Madeleine, hat mich vor irgendeiner Gefahr gewarnt, sie hat vom Tod gesprochen und dass ich mich retten soll.«
»Darüber redet ihr bei den Kursen doch auch, oder?«
»Schon, aber sie war so aufgeregt … Sie hatte solche Angst.«
»Ach, das war irgendeine schlimme Erinnerung, ein
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