Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
habe ich mich immer wieder gefragt, wieso du dir gerade mich ausgesucht hast als Freundin, oder sollte ich besser sagen: als Opfer. Wieso gerade mich?«
»Du weißt es nicht? Du weißt es wirklich nicht?«
Hass und Erbitterung, die sich plötzlich ihren Weg bahnten, waren so übermächtig, dass Susanna unwillkürlich einen Schritt zurücktrat.
»Du warst es, Susanna, die eigen t lich mein Leben führte, ein behütetes Leben in Reichtum, vergöttert von den Eltern, den Brüdern. Ein Leben wie im Märchen.«
»Was meinst du damit? Ich verstehe nicht, was du sagst!«
»Wie auch?«, höhnte Ellen, »du hast dich immerzu mit deiner Person befasst, hast in der Bewunderung der Männer gebadet wie in Champagner – genauso wie im Selbstmi t leid, wenn dich die Wirklichkeit mal erreicht hat. Falls es schwierig wurde, kamen der feine Herr Papa und der liebe Alexander, um dich zu retten.«
»Aber …«
»Sei ruhig! Hör mir jetzt genau zu, denn nun erfährst du die Antwort auf deine Fragen.«
Susanna stand regungslos auf dem Kiesweg.
»Mein Vater war auch ein feiner Herr, sogar sehr fein – und sehr feige. Er hat sich aus dem Staub gemacht, als ich noch nicht einmal geboren war. Dieser ehrbare Mann, dieser honorige Geschäftsmann. Er war von der gleichen Art wie dein Vater. Das habe ich sofort gesehen. Aber meine Mutter war ihm wohl nicht gut genug.« Sie machte eine Pause und starrte in den Abendhimmel. »Er hat eine Vonundzu geheiratet, Titel, großes Vermögen. Und schließlich hat er sich eine Vorzeigefamilie angeschafft. Zwei Stammhalter und eine Tochter, wie aus dem Bilderbuch. Nach dem Tod meiner Mutter bin ich zu ihm gegangen. Ich hatte niemand anderen.« Sie atmete tief ein, fast klang es wie ein Seufzen. »Weißt du, was er gesagt hat, als ich ihn in seiner superfeinen Villa besucht habe? Er hat mich draußen vor der Tür abgefertigt und gesagt, er sei den Unterhaltsverpflichtungen nachgekommen, und damit sei die Geschichte für ihn erledigt.« Ihre Stimme wurde durchdringend. »Die Geschichte, hat er gesagt. Ich war eine Geschichte für ihn, obwohl ich doch vor ihm stand, lebendig und bereit, ihm alles zu verzeihen. Dass er uns verlassen hatte, dass ich ihn nie hatte besuchen dürfen, dass er bei meinem ersten Schultag nicht dabei war.« Ihre Stimme erstarb plötzlich, und sie schluckte.
»Das tut mir leid«, sagte Susanna. »Warum hast du nie darüber gesprochen?«
»Es tut dir leid! Ha! Darüber sprechen! Was hättest du dann für mich übrig gehabt? Na, was wohl? Ich sage es dir. Mi t leid mit der armen verstoßenen Tochter. Dieser Mann, der sich weigerte, mein Vater zu sein, ging einfach fort, nachdem er mir gesagt hatte, er habe immer Geld geschickt. Er ging hinein in sein wunderschönes Haus, setzte sich an den Esstisch, an dem sie alle saßen, und ich blieb vor der Haustür stehen. Ich habe sie alle gehasst, diese ganze verlogene Bande. In diesem Augenblick, meine kleine Susanna, ist der Hass in mein Leben getreten. Abgrundtiefer Hass, ein Hass, den du nicht kennst, Prinzessin. Reicht dir das als Erklärung?«
»Ja, aber …«
Dieselbe gebieterische Geste, welche Susanna noch aus früheren Zeiten kannte, brachte sie auch jetzt wieder zum Schweigen.
»Nichts, aber …. Eigen t lich müsstest du das nicht erfahren. Und es ändert ohnehin nichts mehr.«
»Ellen, es tut mir leid, was …«
»Hör auf damit, ich will es nicht hören. Ihr müsst alle für eure Sünden büßen, ist es nicht so?« Ein ironisches Lächeln glitt über ihr Gesicht. Vom Haupteingang her fluteten Lichter, sie trat ein Stück zur Seite, in die Dunkelheit. »Willst du wissen, was passiert ist?«
Susanna nickte stumm.
»Die Lieblingstochter, so nannte ich meine Halbschwester, die andere Tochter meines Vaters, hat sich zwei Jahre nach meinem Besuch das Leben genommen. Ich war auf der Beerdigung, weitab von der übrigen Trauergesellschaft, und habe ihn weinen sehen. Ich spürte eine unglaubliche Erleichterung. Dieser Tod hat mich befreit.«
»Mein Gott …«
»Lass Gott aus dem Spiel!«
»Aber Ellen!«
»Genug geredet!« Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging raschen Schrittes in das Gebäude zurück.
Susanna blieb von Entsetzen erfüllt in der Dunkelheit stehen, bis sie zu zittern begann. Es war nicht die Kälte allein.
In Sörens Arbeitszimmer klingelte das Telefon. Sandra Kurz vom K 3 wollte Lea sprechen.
»Wir haben Neuigkeiten«, begann sie, ohne sich mit einer Einleitung aufzuhalten, doch als hätte
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