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Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Heeger
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nicht warm. Sie stand auf, nahm ihre Handtasche, ein italienisches Modell, an deren Reißverschluss ein silberner ovaler Anhänger mit den Initialen SN angebracht war, und ging die wenigen Meter zum Wochenmarkt hinüber. Malerisch fügte er sich in die Uferkulisse des Genfer Sees ein. Die Leute waren unterwegs mit Einkaufskörben, Tüten und Baguettes. Susanna beobachtete, wie sie ein Schwätzchen hielten, die Waren begutachteten und bei einem frühen Gläschen Wein beisammensaßen.
    Ich muss etwas zu essen kaufen, beschloss sie, denn sie fühlte sich schwach. Das Essen würde bei ihr allerdings nur den Leib zusammenhalten.
    »Du pain, s’il vous plaît, et du fromage.« Sie zeigte an einem Marktstand auf ein Stück Käse, das von grünen Kräutern bedeckt war.
    »Fromage aux herbes d’Alpes?«, fragte die Frau am Käsestand.
    »Oui, un petit morceau.«
    Sie nahm das kleine, in beschichtetes Papier eingewickelte Käsestück über der Theke entgegen und bezahlte. An ihrem Einkauf konnte man erkennen, dass sie alleine war, ohne Familie. Sie ging zurück zur kleinen Pension in der Rue St. Bernadette. Heute Abend würde sie sich diesen Vortrag anhören, dessen Ankündigung sie auf einer Plakatwand neben dem Marktplatz entdeckt hatte: La Papesse, die Hohepriesterin.
    Auf dem Plakat hatte gestanden, dass die Hohepriesterin den Weg zu verlorenem Wissen aufzeige. Das Wort »Weg« hatte eine starke, fast magische Anziehungskraft für sie, und bei dem ausdrucksvollen Plakat in sattem Blau und Dunkeltürkis mit tanzenden Figuren hatte sie an ein Bild von Henri Matisse denken müssen. Nackte Frauen, die sich bei der Hand hielten und im Kreis tanzten, scheinbar einfach gemalt, aber mit ergreifender Intensität. Die Tänzerinnen wirkten wie versunken in der Bewegung. Matisse hatte zu diesem Bild bemerkt, es verkörpere für ihn Leben und Rhy t hmus.
    Ich suche mein Leben, seinen eigenen Takt, und ich möchte Hände rechts und links von mir, die ich greifen kann. Das ist es, was ich suche.
    Susanna spürte die Veränderung, ihre Sehnsucht hatte eine Richtung.
    Lea trat aus dem Haus auf die Augustinerstraße. Es war um die Mittagszeit, die Straße war belebt. Da sie ein Geburtstagsgeschenk für eine Freundin von Frederike kaufen wollte, wandte sie sich nach links und ging Richtung Leichhof. Sie kam an der Augustinerkirche vorbei. Wenn man unter dem Eingang der Kirche stand, sah man die großen Sandsteinfiguren, die teilnahmslos auf das Treiben herabzublicken schienen. Maria, der Ordensgründer Augustinus und dessen Mutter Monika. Die Figur des Augustinus interessierte Lea. So sanftmütig und ergeben wird er nicht gewesen sein, mutmaßte sie bei Betrachtung seines Gesichts.
    Kurz darauf kam sie bei dem Buchladen an. Sie steuerte den Bereich der Kinder- und Jugendliteratur an und entschied sich rasch für ein Buch über eine Mädchenbande, das bereits verfilmt worden war. Sie ließ es sich als Geschenk verpacken und betrachtete die Auslagen an der Kasse. Neben dem Kassencomputer lag ein Bildband mit dem Titel »Der heilige Augustinus. De civitate Dei. Der Staat Gottes.« Man trifft sich stets zweimal, das schien auch auf Heilige zuzutreffen. Dass der Begriff »Gottesstaat« auch der christlichen Religion nicht fremd war, beschäftigte Lea, als sie die Buchhandlung verließ.
    Nachdem sie auf dem kleinen Markt am Leichhof noch frisches Obst, einen riesengroßen Blumenkohl, Eier und Brot gekauft hatte, ging sie schwerbepackt in Richtung Holzstraße zu ihrem Wagen.
    Zu Hause angekommen, trug sie die Einkäufe und ihre Aktentasche ins Haus und stellte die Kaffeemaschine an. Sie platzierte einen großen Becher unter die Ausgussdüse und drückte auf die Taste. Zischend fuhr der heiße Dampf aus der Düse und produzierte wunderbaren weißen Schaum. Bevor der Kaffee dazukam, klingelte das Telefon. Widerwillig stand Lea vom Küchenhocker auf.
    »Guten Tag, Frau Johannsen, ich wollte Sie in Ruhe zu Hause anrufen, um nachzuhören, was mit Marie in letzter Zeit eigentlich los ist.« Es war die Klassenlehrerin von Marie.
    »Guten Tag, Frau Wiessner, gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?« Lea nahm das Telefon mit in die Küche und setzte sich sicherheitshalber wieder auf den Küchenhocker. Anrufe von Lehrern hatten selten einen erfreulichen Anlass.
    »Ob es Schwierigkeiten gibt, wollte ich bei Ihnen nachfragen.«
    Frau Wiessner war eine sympathische Lehrerin, die ein gutes Händchen für Kinder hatte, selbst für die Schüler der Mittelstufe,

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