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Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Heeger
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Selbstbestimmung durch ein Kind.
    Mutter-Kind-Phantasien der Patientin wurden von ihrer Umgebung als gefühlsduseliger Schwachsinn abgetan.
    Lea erinnerte sich, wie rasch Personen mit einer kritischen Haltung zum Zeitgeist als Abweichler und Abtrünnige auf das dogmatische Schafott geführt wurden. Wenn viele Menschen das Gleiche tun, veränderten sich sowohl Wahrnehmung als auch moralische Beurteilung. Aufmerksam las sie weiter.
    Wahrnehmung ideologisch verschleiert? Abtreibung als Mittel zur politischen Veränderung. »Unsere Tabubrüche haben uns selbst beschädigt und verfolgt.«
    Leas Blick blieb an dem letzten Satz hängen. Sie versuchte, die Situation nachzuempfinden, in der sich Susanna van der Neer vor so langer Zeit befunden hatte. Die Meinung der Gruppe, die Zweifel, das ursprüngliche Gewissen, das zu unserer eigenen Person gehört, seit wir laufen, sprechen und denken lernten, das immer wieder auftaucht und unbestechlich ist. Kürzlich hatte sie sich über den Fachartikel »Spätfolgen von Schwangerschaftsunterbrechung, psychosomatischer Symptomenkomplex und depressive Entwicklung« mit Ullrich unterhalten.
    »Die Spätfolgen finde ich nicht so verwunderlich, einige Frauen haben vielleicht nicht wirklich eigene Entscheidungen getroffen«, hatte Ullrich gemeint. »Kannst du dich an die Geschichte von Abraham und Isaak erinnern?«
    »Ja, sicher.« Lea war nicht klar gewesen, worauf Ullrich hinauswollte.
    »Was ist das wichtigste Gebot?«
    »Du sollst nicht töten«, hatte Lea geantwortet, ohne eine Sekunde zu überlegen.
    »Das magst du so sehen, aber gerade die Geschichte von Abraham, der seinen Sohn auf Geheiß seines Gottes opfern soll, weist uns darauf hin, dass der Gehorsam Gott gegenüber höher steht.«
    »Und was hat das mit den Abtreibungen zu tun?«
    Ullrich hatte wieder seinen Zeigefinger in die Luft gestreckt. »Nun, die Ideologien haben die Religionen abgelöst, sind an ihre Stelle getreten und haben die Forderung nach absolutem Gehorsam praktischerweise mitgenommen.«
    »Ah.« Manchmal fragte sich Lea, wo Ullrich die Zeit hernahm, sich derart ausführlich mit den Grundfragen menschlicher Existenz zu beschäftigen.
    »Mir ist aufgefallen«, war Ullrich fortgefahren, »dass gerade diejenigen, die bei Religion besonders die Entmündigung angeprangert haben, mit fanatischem und kritiklosem Eifer ihre eigenen neuen Glaubenssätze herunterbeten.«
    Lea hatte zugestimmt; ihr waren auf Anhieb drei oder vier Personen dazu eingefallen.
    »Aber wieder zu den Abtreibungen und den psychosomatischen Beschwerden«, war Ullrich zur Ausgangsfrage zurückgekehrt. »Ich denke, der Körper lässt sich nicht so einfach täuschen. Er drückt aus, dass etwas dem Menschsein absolut entgegenläuft. Darum dieser Artikel.«
    Lea kehrte zu den Karteikarteneinträgen zurück.
    Bestimmte Frauen als Vorbilder, kämpferisch und selbstbewusst. Diese Frauen waren so sicher, dass sie das Richtige taten, kannten nie das Gefühl zu zweifeln. Bewunderung damals!
    Lea wusste, was Frau van der Neer ansprach. Eine neue Frauengeneration hatte es sich auf die Fahnen geschrieben, alles anders zu machen als ihre Mütter. Nicht den so genannten bürgerlichen Mief mit trautem Heim, Nierentisch und Sonntagskuchen mitzumachen. »Weißt Du«, hatte eine Studienkollegin damals zu Lea gemeint, »wir drehen jetzt einfach den Spieß um und bestimmen, wo es langgeht. Wenn die Männer damit Probleme haben, können sie gleich abhauen.«
    Keine Psychotherapie, viele Workshops im Frauenzentrum, viele Jahre Selbsterfahrungsgruppen, Channeling, Geistheilungsseminare, Astroyoga, Bioenergetik, Chakrameditation, Versuch, das Leben wieder in den Griff zu bekommen. Frage: welches Leben? Gefühl, kein eigenes Leben zu besitzen mit Wünschen, Träumen und Zielen. Große Sehnsucht.
    Lea erinnerte sich, dass sie nachgefragt hatte: »Welche Sehnsucht, was meinen Sie damit?«
    Frau van der Neer hatte ihren Ring an der Hand hin und her gedreht. »Die Sehnsucht, irgendwohin zu gehören, zu Hause zu sein, mit Menschen zusammen zu sein, die mich lieben, die ich lieben kann, und …«, sie hatte Lea angeschaut, »… mich selbst wieder zu fühlen.«
    »Die meisten Menschen kennen diese Sehnsucht«, hatte Lea geantwortet, ein Spruch, der ihr sofort, nachdem sie ihn ausgesprochen hatte, lahm vorkam.
    Susanna van der Neer war aufgestanden und hatte Lea die Hand gereicht. »Ich fühle mich wohl bei Ihnen. Aber helfen muss ich mir selbst.« An der Tür hatte sie sich

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