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Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Heeger
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die viele Lehrer nicht gerne unterrichteten. Mitten in der Pubertät war anderes wichtiger als die Geschichte des Spätmittelalters, das Periodensystem oder die Auflösung von Termen.
    »Marie ist auffällig still geworden«, berichtete die Lehrerin. »Am Unterricht hat sie sich sonst immer intensiv beteiligt und war ganz fröhlich bei der Sache. Jetzt sagt sie überhaupt nichts mehr, hat sich nach hinten im Klassenraum gesetzt und ist in den Pausen immer alleine unterwegs.«
    »Das überrascht mich, das ist wirklich ungewöhnlich, es passt nicht zu Marie.« Lea überlegte, ob ihr in jüngster Zeit irgendeine Verhaltensänderung bei ihrer älteren Tochter aufgefallen war. »Etwas ernster ist sie schon geworden«, bestätigte sie die Beobachtung der Lehrerin. »Aber fünfzehn ist ein schwieriges Alter, da wissen die meisten auf einmal nicht mehr genau, wer sie eigentlich sind.« Lea schwankte, ob sie die Lehrerin oder sich selbst beruhigen wollte. »Manche ziehen sich in einen Kokon zurück.«
    »Ja, schon …« Frau Wiessner klang nicht überzeugt. »Ich wollte nichts verpassen, Frau Johannsen, deshalb habe ich Sie angerufen. Auch in diesem Alter kommt es schon mal zu Kurzschlusshandlungen, und hinterher machen sich alle Vorwürfe.«
    Das schien zurzeit ihr Thema zu sein, dachte Lea, bedankte sich bei der Lehrerin und legte nach einer freundlichen Verabschiedung auf. Wo war die Grenze zwischen Phasen der entwicklungsbedingten normalen Niedergeschlagenheit und dem Bereich, der zu einer seelischen Erkrankung gehörte? Nachdenklich griff sie zur Kaffeetasse.
    Der Nachmittag verging wie im Flug. Frederike musste vom Flötenunterricht abgeholt werden, und da Jonas am Vortag darauf hingewiesen hatte, dass seine Sportbekleidung auszugehen drohte, startete Lea noch zwei Maschinen mit 30°-Wäsche. Marie hatte ihr ausrichten lassen, dass sie bei ihrer Freundin Jenna Hausaufgaben durchsprechen wolle und erst später käme. Kurz vor acht Uhr hörte Lea sie nach Hause kommen, aber Marie vermied es, in der Küche Hallo zu sagen. Ich werde später mit ihr sprechen, nahm Lea sich vor. Und Kommissar Bender muss ich auch noch anrufen, erinnerte sie sich.
    Nachdem sie das Geschirr vom Abendessen in die Spülmaschine eingeräumt hatte, ging sie hinauf zu Maries Zimmer. Die Tür war nur angelehnt. Im Zimmer war bereits das Licht gelöscht, und Lea hörte den langsamen Atem ihrer Tochter. Die gleichmäßigen Atemzüge aus dem Bett sollten eigentlich etwas Beruhigendes haben. Allerdings war es ungewöhnlich, dass Marie so früh schlief, denn normalerweise war das Telefon an ihrem Ohr so gut wie festgewachsen. Das Gefühl, dass Frau Wiessner recht haben könnte, verstärkte sich. Sie musste morgen das Gespräch suchen.
    Im Schlafzimmer schlüpfte sie aus ihren Kleidern, zog ihren verblichenen Frotteebademantel über und ließ im Badezimmer Wasser in die Wanne. Richtig heiß und ganz voll, der Alltag verblasste. Nach einem dreißigminütigen Bad, bei dem sie fast in der Wanne eingeschlafen wäre, kroch sie auch schon müde und entspannt unter die Bettdecke. Mitten in der Nacht hörte sie Sören nach Hause kommen.

Viertes Kapitel
    Susanna war zu Fuß unterwegs. Sie kam an einem großen Springbrunnen vorbei. Die Fontäne wurde von Scheinwerfern angestrahlt, und Wassertropfen fielen wie milchige Perlen zurück in das steinerne Becken. Der Brunnen stand auf einem kleinen Platz. Es waren viele Paare auf der Straße, die Frauen hatten sich bei den Männern untergehakt. Offenbar war in der Nähe gerade eine Theatervorführung zu Ende gegangen, da viele in Abendgarderobe unterwegs waren. Es glitzerte und funkelte an den Ohrläppchen der Damen.
    Susanna selbst trug keinen Schmuck außer dem Verlobungsring ihrer Mutter. Ein wunderschön geschliffener Aquamarin von tiefblauer Farbe, wie sie selten waren und in dieser Größe kaum noch erhäl t lich. »Er hat die Farbe deiner Augen«, hatte ihre Mutter gesagt, als sie ihr den Ring zum sechzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Das waren die letzen Tage der unbeschwerten Verbundenheit gewesen. Nun begannen die letzten Bilder, die sie von ihrer Mutter in Erinnerung hatte, zu verblassen.
    Der Vortrag am Abend zuvor hatte sie berührt. Die Hohepriesterin als Bild für den verborgenen inneren Weg zu verstehen. Sie als Hüterin weiblicher Weisheit zu erkennen und sich ihrem Bild zu nähern, würde den Schleier vom eigenen verborgenen Lebensbild abstreifen.
    »Der Schleier über unserem Blick auf den

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