Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
auch für dich wichtig.« Cleo schien nach Luft zu schnappen, aber nur kurz. »Und was ist jetzt? Superjob, Doktorhut und sogar noch einen Herzchirurgen zum Ehemann. Wie aus einem Arztroman – also halt du dich zurück!« Eine giftgrüne Neidwolke schien durchs Handy zu wabern.
»Alles klar, Cleo, wir werden jetzt aufhören zu telefonieren. Aber ich gebe dir noch einen Gedanken mit auf den Weg: Wenn Selbstverwirklichung mit Selbstmord endet, war sie wenig erfolgreich. Da sind wir uns doch wohl einig.«
Ohne die Antwort abzuwarten, drückte Lea verbittert auf den roten Knopf ihres Handys. Sie atmete tief durch und setzte sich auf die oberste Stufe einer Steintreppe, die in die Uferböschung eingelassen war. Die unteren Treppenstufen hatten einen glitschigen Überzug aus hellgrünen Algen, aber oben konnte man sich hinsetzen, ohne eine nasse Hose zu riskieren.
Der Rhein floss unbeeindruckt weiter, wie er es seit Jahrtausenden getan hatte. Ob Hagen das Rheingold versenkte, die französischen Besatzer an den Ufern ihre Zelte aufschlugen, oder ob moderne Glaubensfragen ausgetragen wurden, der stetige Fluss des Wassers hatte etwas zeitlos Unaufgeregtes.
Lea schaute in die Richtung, in der Marie mit Lilly verschwunden war.
Das Frauenzentrum in Frankfurt war in einem rö t lichen Backsteingebäude aus der Zeit um die Jahrhundertwende untergebracht. Vor einer halben Ewigkeit hatte Susanna es zuletzt betreten. Innen wirkte es nüchtern und durch die einfachen Holzstühle eher wie die Vorhalle einer Finanzbehörde.
Sie ging zu einer Art Anmeldung, an der eine junge Frau saß und las. Sie schaute von ihrem Buch auf, als sie das »Guten Morgen« hörte. Sie mochte etwa neunzehn Jahre alt sein, die hellblonden Haare waren zu einem lockeren Pferdeschwanz gefasst, ihr Gesicht zeigte noch die weichen Spuren der Kindheit.
»Hi, kann ich dir helfen?«
Susanna legte die Visitenkarte von Jemina auf die Anmeldung. »Ich möchte zu Jemina Faradiz, ist sie heute Morgen hier?«
»Tut mir leid, heute nicht. Moment bitte.« Die junge Frau schaute auf ein ausgedrucktes und ausgefülltes Formblatt, das vor ihr lag. »Heute Morgen sind Regina, Beate und Cleo hier, es laufen zwei Kurse«, sie folgte mit ihrem Zeigefinger dem Zeitablauf. »Gerade hat der Kurs ›Selbstverteidigung für Frauen‹ bei Regina begonnen und der Gesprächskreis ›Wege aus der Beziehungsfalle‹ mit Beate.« Ihr Finger wanderte noch ein Stück weiter nach unten. »Jemina ist morgen Nachmittag erst wieder hier.« Sie blickte Susanna fragend an.
»Ich hatte mit Frau Faradiz abgesprochen, dass ich mich bei ihr wegen spezieller Kurse melde, ich habe sie bei einem Vortrag über die Hohepriesterin in der Schweiz kennengelernt.«
»Ach so, gut, das ist etwas anderes. Moment, ich werde Cleo fragen.«
Die junge Frau verließ ihren Platz und steuerte ein Zimmer an, an dessen geschlossener Tür ein Plakat hing mit dem Titel »Aktionsplan für Frauen in Frankfurt«. Sie verschwand in dem Zimmer. Als die Tür sich nach kurzer Zeit wieder öffnete, folgte ihr eine kräftige Person mit roten Haaren.
»Susanna, wo kommst du denn plötzlich her?«
Auf die Begegnung mit Cleo Hollmann war Susanna van der Neer trotz ihrer gemeinsamen Vergangenheit in diesem Haus nicht vorbereitet gewesen. Diese Vergangenheit mit ihrem Chaos und dem Schmutz, den Partys und Gesprächsrunden, die ihr Wel t bild zerrissen und neu zusammengefügt hatten – das alles überwand beim Anblick dieser Person einen Zeitraum von vielen Jahren in wenigen Sekunden.
»Cleo, ich wusste nicht, dass du noch hier arbeitest. Ich suche Jemina.«
»Jemina!« Cleo schien zu überlegen. »Warum möchtest du Jemina sprechen?«
Susanna wiederholte, was sie bereits der anderen Frau erzählt hatte. Cleo hörte ihr mit unbewegter Miene zu und maß sie, nachdem sie geendet hatte, mit einem abfälligen Blick. Trotzdem zog sie das Handy aus ihrer Hosentasche und tippte eine Telefonnummer ein. Mit dem Handy am Ohr wandte sie sich erneut an Susanna: »Und, Dir ist es gutgegangen in den vergangenen Jahren? Hast zumindest nicht am Hungertuch genagt, wie man sieht.« Sie machte eine Handbewegung in Richtung der exklusiven Handtasche, welche Susanna an einem Schulterriemen trug.
»Es geht mir gut, danke«, entgegnete diese zurückhaltend. Sie wollte niemandem hier, außer Jemina Faradiz, irgendwelche Einzelheiten über ihr mühselig zusammengehaltenes Leben anvertrauen. Die Erfahrung, dass ein kleines Stück Innenleben die
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