Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
hat mit dem Rückruf, aber ich bin nicht früher dazu gekommen.«
Lea blickte auf die Unterlagen von Susanna van der Neer, auf denen sie bestimmte Passagen mit Textmarker angestrichen hatte.
»Nett, dass Sie überhaupt an die Polizei denken.« Benders Stimme klang immer noch etwas heiser.
»Selbstverständlich. Ich hatte Ihnen doch versprochen zu recherchieren! Sonst entlassen Sie mich noch aus meinem Nebenjob.«
»Ach, wegen der offiziellen Deklaration als Sachverständige und Ihrer Pflicht als Zeugin selbstverständlich. Hat Sandra Kurz geplaudert?«
»Geplaudert hat sie nicht, ich habe gefragt.«
»Ich muss Ihnen ohnehin noch eine Einverständniserklärung, eine Schweigeverpflichtungserklärung für den laufenden Stand der Ermittlungen und ungefähr vier Informationsschreiben geben«, beendete Kommissar Bender den formalen Teil ihrer Unterhaltung.
Lea besann sich auf die Fragen, die im letzten Gespräch unbeantwortet geblieben waren. »Alles klar … Was die Zahl betrifft: Von einer bestimmten Zahl hat Frau van der Neer nicht gesprochen. Sie hat mich lediglich gefragt, was nach dem Teufel kommt, ob ich den Weg kenne, und welche Zahl danach käme. Von dem Weg hat sie häufiger gesprochen, insbesondere beim letzten Gespräch.«
Bender überlegte weiter. »Diese Zahl 20 auf dem Anrufbeantworter. Es gibt sicher eine Erklärung. Niemand ruft an, spricht eine Zahl auf den Anrufbeantworter fremder Menschen und legt auf.«
»Eine verschlüsselte Nachricht! Die Nummer eines Bankschließfachs? Wobei, ein Schließfach voller Falschgeld oder geschmuggelter Diamanten kann ich mir hier eigentlich nicht vorstellen«, sagte Lea.
»Oh, ein Fan von James Bond?«
»Na, ja, mein Sohn schaut sich die Filme gerne an.«
»Verstehe, und Sie müssen aus pädagogischen Gründen mitschauen!«
»Nun ja, die Hauptdarsteller sind recht ansehnlich.«
Franz Bender lachte, wurde aber gleich wieder ernst. »Wir waren übrigens bei Frau Hollmann. Sie wollte uns allerdings erst etwas über Frau van der Neer sagen, nachdem wir ihr eine schriftliche Vorladung ins Polizeipräsidium in Aussicht gestellt hatten. Wirklich viel hat sie uns trotzdem nicht erzählt. Sie gab an, Frau van der Neer als junge Frau mehrfach bei Veranstaltungen der Frauenbewegung in Frankfurt getroffen zu haben. Danach habe sie jahrelang nichts mehr von ihr gehört. Vor etwas mehr als zwei Jahren sei sie dann wieder aufgetaucht. Warum, das wisse sie auch nicht.«
»Ach, Cleo kannte Susanna van der Neer von früher?«, wiederholte Lea überrascht. Das erklärte allerdings deren Erfahrungen mit alternativer Gruppendynamik. Möglicherweise waren die Mitglieder der Gruppe die »anderen Frauen«, von denen Susanna van der Neer gesprochen hatte.
Bender fuhr fort: »Weiter hat Frau Hollmann angegeben, Frau van der Neer habe vor längerer Zeit einen hysterischen Auftritt im Frauenzentrum gehabt.«
»Davon weiß ich inzwischen auch. Cleo hat mich nach Ihrem Besuch angerufen«, klärte Lea den Kommissar über ihren Kenntnisstand auf.
»Das Telefonat kann ich mir lebhaft vorstellen, nachdem ich die Dame kennengelernt habe. Sagen Sie mal, Frau Johannsen, Sie kennen Frau Hollmann doch auch schon lange: Wie kann es sein, dass so jemand anderen Menschen hilft, die sich in Schwierigkeiten befinden?«
»Das ist eine gute Frage«, seufzte Lea, »aber mit Hilfe – oder was zumindest so aussieht – kann man auch viel Geld verdienen. Erst gibt man Hinweise auf Probleme, die dem Einzelnen gar nicht bewusst sind – vielleicht gibt es sie ja auch gar nicht –, und dann werden teure Kurse angeboten, um genau diese Probleme zu beseitigen. Einfaches Prinzip, oder?«
»Klingt simpel, und weiter?«, fragte Bender.
»Lukrativ ist es. Gehen Sie mal durch die Buchläden. Da finden Sie die Regale voll mit alternativem Wissen, angefangen beim Heilen durch Edelsteine über Pendel bis zu Selbsthypnose, Kontakt mit dem Schutzengel und so weiter.«
»Aber so teuer werden die Bücher auch nicht sein, oder?«
»Nein, die Bücher nicht.« Lea vergaß Susanna van der Neer, Cleo und das Frauenzentrum. »Wissen Sie, Herr Kommissar, ich glaube auch daran, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt, als wir Menschen in der Lage sind zu erkennen. Aber hier geht es um eine ganze Industrie, die davon lebt, dass die Menschen auf der Suche nach etwas Höherem sind, das ihnen vielleicht Halt und Zuversicht gibt. Die werden regelrecht abgezockt. Wussten Sie, dass sogar die Reiseindustrie so genannte
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