Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
Mantel aus und legte ihn über den ausgestreckten Unterarm des einen Zwillings. Dann folgte sie den beiden durch den Gang, aus dem sie gekommen waren. Der Mann schloss sich ihnen nicht an, allerdings hatte Lea das Gefühl, seinen Blick im Rücken zu spüren. Der Gang war spärlich beleuchtet mit vereinzelten bläulich schimmernden Lichtern im Abstand von ungefähr einem Meter. Aus den Räumen mit geschlossenen Türen, an denen sie vorbeiliefen, drang kein Geräusch. Lea begann zu frieren. Nach einigen Treppen und anderen Gängen gelangten sie zu dem besagten »Vorbereitungsraum«. Lea hatte sich darunter alles Mögliche vorgestellt, eine Art Frankenstein-Labor, eine Gummizelle oder einen Gebetsraum mit Kuttenträgern. Der Raum, den sie jetzt betrat, war ein Büro mit zwei Schreibtischen samt PC, Drucker und Faxgerät. Nicht anders als im Finanzamt. Große Plakate an den Wänden wiesen auf Vortragsreihen hin, die vom ISG organisiert wurden. So ganz alltäglich war das Büro doch nicht. »Der Magier, erkenne deine Kraft« oder »Der Eremit, finde deinen Weg« hießen die Überschriften. Auf einem Drehstuhl saß eine junge Frau in adretter weißer Bluse und schwarzem, schmalem Rock. Sehr elegant, urteilte Lea. Bislang sah sie sich in ihren Erwartungen, etwas Fremdartiges oder Außergewöhnliches zu sehen, enttäuscht. Die junge Frau stellte sich als Dana vor. »Bitte nehmen Sie Platz«, forderte sie Lea höflich auf, sich auf den freien Stuhl vor dem Schreibtisch zu setzen. Lea nahm Platz und stellte ihre Tasche neben dem Stuhl ab.
»Wir nehmen alle Personen, die sich ernsthaft für unser Institut interessieren, in unsere Datenbank auf.« Mit Blick auf Leas überraschten Gesichtsausdruck ergänzte sie erklärend: »Wir können Sie dadurch jederzeit über aktuelle Angebote, Terminverschiebungen oder andere Serviceleistungen unseres Institutes informieren.«
»Ah, ja«, brachte Lea heraus. Sofort fühlte man sich von den Weiten der esoterischen Räume in das Büro einer Zeitarbeitsfirma versetzt.
»So, bitte Name, Vorname, Geburtsdatum, Anschrift und Beruf.«
Die Frau saß vor ihrer Tastatur und mahnte Lea mit ihrem Blick zur zügigen Beantwortung der Fragen.
Lea antwortete automatisch. Diese persönlichen Erkennungsdaten spult jeder, der das ordentlich gemeldete Mitglied einer von Bürokratie durchdrungenen Gesellschaft ist, fehlerfrei und ohne nachzudenken ab. Vermutlich auch dann, wenn man ihn nach Mitternacht aus dem Tiefschlaf risse.
»Ja, vielen Dank. Bitte auch noch, wer uns empfohlen hat.«
»Cleo Hollmann, von dem Frauenzentrum in Frankfurt, die kennen Sie doch sicher?«
»Selbstverständlich. Vielen Dank für Ihre Angaben.«
Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Dana nahm mit einer graziösen Bewegung, die ihre perfekt manikürten Fingernägel zur Geltung brachte, das Telefon aus der Ladestation und meldete sich mindestens so professionell wie Frau Witt in der Praxis. »ISG, Sie sprechen mit Dana, was kann ich für Sie tun?« Es folgte eine kurze Pause. »Das kann nicht sein.« Dana bewegte ihre Finger flink über die Tastatur. »Der Auftrag wurde erledigt. Das Geld ist zwei Monate später auf das Konto gegangen.« Mit Blick auf Lea brach sie die Unterhaltung abrupt ab. »Ich rufe zurück«, sagte sie knapp und stellte das Telefon zurück.
Lea wollte diesen unsinnigen Besuch jetzt doch so schnell wie möglich abschließen. »Nachdem Sie mich jetzt abgespeichert haben, würde ich gerne wissen, welche Kurse Sie anbieten, welche Methoden Sie einsetzen, wie lange die Seminare dauern und was sie kosten. Aber bitte in einer möglichst kurzen Fassung, es ist wirklich schon recht spät.«
Lea bemühte sich, den gleichen geschäftsmäßigen Ton zu treffen, mit dem Dana ihren bürokratischen Auftrag erledigt hatte, und stellte befriedigt fest, dass auch ihrer Stimme eine ungeduldige Nuance anzuhören war – immerhin. Die junge Frau schien dennoch keine Veranlassung zur Beschleunigung des Vorgangs zu sehen. Leas Ungeduld war entweder zu wenig deutlich gewesen, oder ihr Gegenüber ignorierte diese bewusst. Lea seufzte innerlich.
»Nun, wir bieten persönliche Programme an. Es kommt ganz darauf an, wie weit Sie einsteigen wollen und mit welcher Ernsthaftigkeit Sie an sich arbeiten möchten.«
Lea blickte sie fragend an. Eventuell würde es ihr gelingen, diese Dana zu näheren Erklärungen zu veranlassen. Sie war schließlich hier, um etwas herauszufinden, und nicht, um sich in irgendeine Kundendatei
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