Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
hier«, zischte Elisabeth und zog Lea am Arm hinter eine Mauerecke. Das Tor öffnete sich seitwärts, und kurze Zeit darauf kam eine große Limousine mit dunkel getönten Scheiben herausgefahren. Der Kies knirschte unter dem schweren Fahrzeug. Nachdem der Wagen die Einfahrt passiert hatte, begann sich das Tor mit dem gleichen Summton wieder zu schließen. Bevor Elisabeth reagieren konnte, war Lea durch das Tor geschlüpft, kurz bevor es die Einfahrt wieder verriegelte.
»Mensch, Lea, bist du von allen guten Geistern verlassen?« Elisabeth war nahe ans Tor getreten. »Du kommst da sofort wieder raus!« Ihr Tonfall glich dem einer Mutter, die ihrem Kind klarmachen will, dass es nicht mit Sandalen in einer Pfütze stehen bleiben soll. »Ich warte hier, bis du wieder draußen bist. Geh da rein und erzähl denen, du hättest dich im Haus geirrt oder irgendeinen anderen Blödsinn, damit sie dir das Tor wieder aufmachen.« Noch einmal rief sie »Komm zurück!« mit etwas gedämpfter Stimme hinter Lea her, die sich auf dem Weg zum Haus umgedreht hatte. »Du könntest dich auch verstecken und auf den nächsten Wagen warten, der hier durchfährt. Dann schlüpfst du einfach mit durch«, schlug sie vor, aber Lea schüttelte den Kopf: »Was ist, wenn das bis morgen früh dauert? Ich zieh das jetzt durch.«
Sie ging die Auffahrt entlang, doch ganz so entschlossen wie zu Beginn der Aktion wirkten ihre Schritte nicht mehr.
Nachdem sie der Auffahrt, in die rechts und links Halogenstrahler eingelassen waren, ungefähr 30 Meter in einem Bogen gefolgt war, kam sie an das Ende der Hecke und hatte die Sicht frei auf einen Gebäudekomplex. Aus hellem Mauerwerk mit Säulen im Eingangsbereich und mit blau getönten Fenstern, wirkte es wie ein Wirklichkeit gewordener Architektentraum. Vielleicht war ihre Idee ja doch nicht wirklich genial … Oder wie Ullrich sagen würde: hoc considerandum fui – das hätte überlegt werden müssen . Oder hätte er gesagt quicquid conaris, quo pervenias cogites – was du auch in Angriff nimmst, bedenke, wohin du gelangst ? Egal, er hätte wohl mit beiden Zitaten ins Schwarze getroffen. Beim Gedanken an ihren Kollegen spürte Lea nun doch ein mulmiges Gefühl in der Magengrube. Sie verlangsamte ihren Schritt und erreichte den Eingang des Gebäudes. Der Begriff Eingang traf es allerdings nicht, denn es war ein großes mit Rundbogen versehenes Portal, von eingelassenen Lichtobjekten beleuchtet, wie bereits die Auffahrt. Lea blickte sich um und sah, dass das Gebäude inmitten einer großzügigen Parkanlage stand. Durch vereinzelt aufgestellte Laternen in modernem Design warfen die riesigen Bäume eindrucksvolle Schatten. Die Rasenfläche war gepflegt und glänzte vor Feuchtigkeit.
Lea trat näher an den Eingang und schaute nach oben. Gerade als ihr Blick die Front des Hauses absuchen wollte, nach einem geöffneten Fenster oder dem Schein einer Lichtquelle, wurde die Eingangstür abrupt geöffnet. Lea fühlte einen Kloß im Hals. Du bist hier nur wegen einer Auskunft, versuchte sie, ihre aufkeimende Furcht einzudämmen.
Dreizehntes Kapitel
Eine hochgewachsene Person trat aus dem Dunkel vor das Portal. Ein Mann, Ende vierzig und gutaussehend, wenn man Dressmantypen attraktiv fand. Er wandte sich zu Lea, die bewegungslos stehen geblieben war, und schien nicht im Mindesten überrascht.
»Guten Tag, kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Hinter der höflich vorgetragenen Frage verbarg sich unüberhörbar ein bedrohlicher Unterton.
Lea beschloss, die Geschichte mit »zufällig verlaufen« nicht anzubringen. Ihr Gegenüber machte nicht den Eindruck, als ob er ihr diese Variante abnehmen würde. Der Mann hatte seine Augen immer noch fest auf sie gerichtet, und ihr war klar, dass sie eine halbwegs glaubhafte Version abliefern musste.
»Nun, ich habe kürzlich von Ihrem Institut gehört, und da ich in der Nähe auf einer Fortbildung war, wollte ich mich nach Ihrem Kursangebot erkundigen.« Lea hatte den Eindruck, dass sie mit einer beherzt vorgetragenen Halbwahrheit glaubhaft wirkte. Sie legte noch nach und fragte: »Haben Sie so etwas wie eine Kursübersicht, oder könnte ich mir Ihr Institut vielleicht sogar anschauen, es gibt ja wohl auch Wochenendseminare?«
Der Mann hörte mit unbewegter Miene zu und äußerte sich nach einer Pause gleichermaßen undurchdringlich wie geschäftsmäßig: »Nun, könnte ich vielleicht erfahren, mit wem ich die Ehre habe und von wem Sie über unser Institut erfahren
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