Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
wurde augenblicklich geöffnet, und die Frau von eben erschien mit Dana im Türrahmen.
»Nun, Dana, das nächste Mal achten Sie besser darauf, haben wir uns verstanden?« Der herbe Umgangston war offensichtlich nichts Ungewöhnliches, denn Lea konnte keinerlei Überraschung oder Missfallen auf dem Gesicht Danas erkennen.
Die Frau wandte sich an Lea. »Ich schlage vor, Sie sehen sich jetzt unsere Schulungs- und Übungsräume und die Unterkünfte für Übernachtungen einmal an. Dana wird Sie begleiten. Ach ja, sie sagte, Sie hätten nicht viel Zeit.« Ihre Stimme klang jetzt neutral, geschäftsmäßig, und sie schien bemüht, einen Befehlston zu unterdrücken. Als sie Leas Abneigung über den Vorschlag bemerkte, bemühte sie sich um ein angedeutetes Lächeln. »Es wird nicht lange dauern, nur dass Sie einen Eindruck bekommen.« Zu Dana gewandt erklärte sie: »Über einen Kursplan können wir danach sprechen.« Diese nickte.
»Also gut, um einen Eindruck zu bekommen«, erwiderte Lea, die froh war, einige Minuten Zeit zu haben, in denen sie sich beruhigen konnte. Mit einem Blick auf ihre Uhr ergänzte sie, »ich muss dann allerdings wirklich wieder zu meiner Fortbildungsveranstaltung. Ich kann mich ja sicher auch telefonisch anmelden.«
»Gewiss, Dana zeigt Ihnen jetzt alles.«
Dana ging vor, in die Richtung des Hauptgebäudes, wie Lea vermutete. Bei den vielen Gängen war ihr die Orientierung abhanden gekommen. Bevor sie sich endgültig umwandte, um Dana zu folgen, warf sie rasch einen Blick zurück in das Büro. Sie konnte aus dem Augenwinkel gerade noch sehen, dass die Frau sich vor den PC gesetzt hatte und die Tastatur bediente.
Während des Rundganges, bei dem Lea nur wenige Menschen auf den Gängen oder in den Nischen mit Sitzgelegenheiten antrafen, öffnete Dana im Vorbeigehen eine Reihe von Türen, die zu Kursräumen gehörten. Lea konnte einen Blick in die überwiegend hellen, weiten Räume werfen. In einigen wurden gerade Kurse abgehalten, es standen weißgekleidete Menschen in Gruppen beisammen und sangen choralähnliche Lieder, die von sphärischen Klängen begleitet wurden. In anderen Räumlichkeiten gab es offenbar Meditationen.
»Sehr nett, sehr schön«, gab Lea bemüht interessiert von sich. Sie hatte das Empfinden, sie müsse ihre Zustimmung und ihr Interesse irgendwie bekunden. Dana reagierte mit einem Kopfnicken, ohne sie jedoch anzusehen. Vielleicht waren ja die Worte »nett« und »schön« zu geistlos, klangen zu weltlich und zu wenig enthusiastisch? Als sie die Tür des letzten Kursraumes fast geschlossen hatte, hörte Lea einen zarten Klang, der sie aufhorchen ließ. Metall auf Metall, hell und klar drang er nach draußen auf den Gang.
»Was war das?« Die Frage war heraus, bevor Lea sich überlegt hatte, ob es klug gewesen war, sie zu stellen.
»Eine Meditationshilfe«, erklärte Dana knapp.
Es schien, als ob die Frage sie beunruhige. Zügig gingen sie weiter, und Dana führte sie schließlich in ein kleines Zimmer. »Dies sind unsere Unterkünfte für Kursteilnehmer, die hier übernachten möchten oder deren Anfahrt zu weit ist.« Es standen außer einem Korbsessel noch ein Bett, ein Schreibtisch und ein Schrank in dem Zimmer. Spartanisch, aber hell, wie eine moderne Jugendherberge, dachte Lea. Ihr fiel auf, dass die Fenster nicht durchsichtig waren, sondern Milchglasscheiben hatten. Das erinnerte sie an die Vorratsräume in den Krankenhäusern, in denen sie früher gearbeitet hatte. Möglicherweise sollte dadurch die vollständige Konzentration auf das Innenleben begünstigt werden, überlegte sie und kommentierte überflüssigerweise wieder mit den Worten »nett, wirklich sehr nett.« Sie beschloss, das nächste Mal ein ausdrucksstärkeres Wort für ihre »Begeisterung« zu finden.
Dana bewegte sich auf die Tür zu. »Warten Sie bitte einen Moment hier. Ich habe vergessen, Ihnen die Kursübersicht zu geben. Ich hole sie rasch aus meinem Büro und außerdem noch eine Liste mit weiterführender Literatur, falls Sie sich vor einem Aufenthalt bei uns noch entsprechend einstimmen möchten.«
»Das ist sehr nett, vielen Dank, dann muss ich aber wirklich zurück.«
»Selbstverständlich«, entgegnete Dana und ging hinaus.
In der Ferne hörte Lea Kirchenglocken, vermutlich von der Kirche des Städtchens, dessen Außenbezirk sie bei ihrer unfreiwillig ausgedehnten Wanderung mit Elisabeth erreicht hatte. Plötzlich fiel Lea ein, wo sie sich befand. Falkenstein! Kommissar Bender hatte
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