Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
gesagt, das Institut befinde sich in Falkenstein. Dann waren Elisabeth und sie völlig vom Weg abgekommen. Dem Glockenläuten nach musste es 18 Uhr sein. Elisabeth war wohl entweder sehr sauer oder sehr besorgt.
Lea setzte sich auf den Sessel und streckte die Beine von sich. Sie war froh, einige Minuten alleine zu sein, insbesondere mit Ausblick auf die rasche Beendigung des Ausflugs. Die Anspannung, die sie seit Beginn dieser Aktion begleitet hatte, spürte sie nun auch körperlich. Hoffentlich beeilte diese Dana sich und brachte auch ihren Mantel mit. Lea schlug die Beine übereinander. Ihre eine Fußspitze stieß an das metallene Tischbein. Dieser Ton eben … Kommissar Bender hatte von einem Ton auf dem Anrufbeantworter gesprochen, einem metallischen Ton. War das die Verbindung?
Ein Geräusch im Schloss ließ Lea plötzlich aufhorchen. Etwas knirschte leise. Sie hörte, wie sich vorsichtige Schritte entfernten.
»Das darf doch nicht wahr sein.« Mit einem Satz sprang Lea auf und war bei der Tür. Sie drückte die Klinke nach unten. Die Tür bewegte sich nicht. Man hatte sie eingeschlossen! Sie rüttelte noch ein paar Mal an der Tür, die jedoch keinen Zentimeter nachgab. Was war das für ein verdammtes Spiel? Vielleicht hatte Elisabeth recht gehabt, und die Geschichte war nicht ganz ungefährlich. Wenn herauskam, dass sie sich hier wegen Susanna van der Neer hatte umschauen wollen, konnte es unangenehm werden. Aber andererseits: Was sollte ihr schon passieren? Und wie sollten die auf eine Verbindung zu Frau van der Neer kommen?
Das Handy!, fiel Lea das rettende Mobiltelefon ein. Sie würde Elisabeth anrufen, denn das hier war Kidnapping. Leas Hand fuhr in die Taschen ihrer Sweatshirtjacke, in ihre Hosentaschen. »Auch das noch!« Das Handy steckte in ihrer Manteltasche, und den Mantel hatte sie am Eingang abgegeben. Vor einer halben Ewigkeit, so kam es ihr vor.
Sie ließ sich entmutigt in den Sessel zurückfallen. Das alles konnte irgendwie nicht wahr sein. Wäre sie doch nur mit Sören über den Mainzer Weihnachtsmarkt spaziert und hätte dort einen Glühwein getrunken, an dem man sich die Zunge verbrannte. Stattdessen saß sie eingesperrt in einem Zimmerchen mit Milchglasscheiben, an einem Ort, der ihr immer unheimlicher wurde. Denn immerhin war die einzige Person, von der sie wusste, dass sie mit diesem Institut zu tun gehabt hatte, tot.
Nach einer unendlich langen halben Stunde hörte Lea Schritte auf dem Gang, die vor ihrer Tür verstummten. Dann wurde erneut der Schlüssel in der Tür gedreht. »Gott sei Dank«, murmelte Lea, korrigierte sich aber gleich durch »vielleicht auch nicht«, als der Mann, der sie vor dem Portal abgefangen hatte, und den sie für Marcion hielt, eintrat. Er war in Begleitung der strengen Frau, die sie mit Dana auf die Besichtigungstour geschickt hatte. Lea bemerkte ihren Mantel, den sie mitgebracht hatten, und trat auf die beiden zu.
»Nun, Frau Doktor Johannsen, Sie waren mit Frau van der Neer bekannt, einer unser Kursteilnehmerinnen.«
Absolut sprachlos vor Überraschung, brachte Lea kein Wort zustande
»Marcion ist Spezialist für das Verborgene, wussten Sie das nicht?« Bei den letzten Worten verzog die Frau höhnisch ihre Mundwinkel.
Lea fühlte sich ertappt und war zu überrascht, um sofort etwas zu erwidern. »Frau van der Neer«, wiederholte sie, um Zeit zu gewinnen.
Der Mann, von dem sie nun wusste, dass er Marcion war, schnitt ihr mit einer unwilligen Handbewegung das Wort ab. Mit einem Lächeln, das ganz und gar nicht freundlich wirkte, blickte er auf Lea. »Sie brauchen uns nichts mehr vorzuspielen. Wir haben mit Cleo telefoniert, um ihre angebliche Empfehlung zu überprüfen.« Dieses Gespräch konnte sich Lea lebhaft vorstellen. Marcion fuhr fort: »Dabei kam wirklich Erstaunliches heraus. Sie betätigen sich als Spitzel der Polizei und haben dem Frauenzentrum unterstellt, irgendetwas mit dem Selbstmord von Frau van der Neer zu tun zu haben.« Er schüttelte den Kopf in der Art, wie man mit einem geistig Verwirrten spricht, der gerade etwas Unschickliches getan hat. »Das ist gar nicht fein, wissen Sie. Solche bösen Unterstellungen und Anfeindungen erleben wir oft. Die Menschen, die so etwas tun, sind schlecht und missgünstig, nicht wahr, Ellen?«
Die angesprochene Ellen nickte: »Na, die Frau Doktor ist unserer Susanna nicht ganz unähnlich. So offen, so naiv und so unerfahren, wenn es um das Schlechte in der Welt geht; wollte sich nur erkundigen!«
Weitere Kostenlose Bücher