Merani und die Schlange unter dem Meer
schimpfte Argeela.
Obwohl es nicht ihr galt, ärgerte Merani sich darüber, und sie fragte sich, weshalb sie Argeela und Careedhal auf diese höllische Reise mitgenommen hatte. Wenn den beiden etwas zustieß, würde man sie dafür verantwortlich machen.
»Geht unter Deck! Hier oben ist es zu gefährlich für euch!«, befahl sie im harschen Ton.
Argeela sah sie erstaunt an. »Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Wir sind Ardhunier und quasi auf Schiffen zur Welt gekommen. Da willst du Landratte uns sagen, wir sollen unter Deck gehen?«
»Dir gebe ich gleich eine Landratte!« Merani überlegte sich bereits einen Zauber, den sie über ihre Freundin werfen konnte, erinnerte sich aber früh genug an die Warnungen von Yanga und ihrer Mutter, ihre magischen Fähigkeiten nicht bei Streitereien einzusetzen. »Von mir aus könnt ihr an Deck bleiben. Aber beschwert euch nicht, wenn euch etwas passiert.«
»Pass lieber auf dich selbst auf!« Argeela lachte auf und blickte wieder auf das Meer hinaus. Sie nahm jedoch nicht die sturmgepeitschte See wahr, sondern sanft rollende Wellen unter einem strahlenden Sommerhimmel und ferne Gestade, die zum Anlegen einluden. Erschrocken rieb sie sich über die Augen, und das Bild verschwand. »Irgendetwas ist mit mir los. Ich hatte eben eine Vision!«
»Welche?« fragten Merani und Careedhal gleichzeitig.
»Ich weiß es nicht mehr«, flüsterte Argeela.
Die beiden wechselten einen kurzen Blick und legten ihr die rechte Hand an die Schläfe, Merani links und Careedhal rechts.
»Versuch dich zu erinnern«, drängte ihr Bruder.
»Ich bin ja schon dabei!« Argeela stöhnte, denn als sie in ihren Gedanken nach den Bildern suchte, die sie eben zu sehen geglaubt hatte, tat ihr Kopf auf einmal fürchterlich weh.
Im nächsten Augenblick quietschte Merani auf. »An dir ist doch etwas Weißes. Nun habe ich es ganz deutlich gefühlt!«
»Merani hat recht! Ich habe das Gleiche verspürt.« Careedhal sah seine Schwester durchdringend an. »Ich glaube, du hast das Reinigungsritual nötiger. Irgendetwas Weißes haftet an dir und reizt Merani.«
»Reizen tut es mich nicht«, schwächte diese seine Worte ab. »Es ist nur ärgerlich, weil wir nicht wissen, um was es sich handelt. Ein einfacher Fetzen Magie ist es jedenfalls nicht, denn der würde sich nicht so an Argeela heften. Also muss es ein weißer Geist sein, und der kann uns gefährlich werden.«
»Es kann sich auch um einen Zauber handeln, der Argeela verfolgt. Aber das bekommen wir heraus, wenn wir sie gründlich untersuchen. Kommt mit!« Careedhals Worte galten ebenso seiner Schwester wie Merani, und beide folgten ihm auf dem Fuß.
6
In der Kabine, die der Großadmiral den beiden Mädchen und Qulka zur Verfügung gestellt hatte, ging Merani in Gedanken noch einmal die Lektionen in Geisterbeschwörung durch, die sie von ihrer Mutter und Yanga erhalten hatte. Viel war es nicht, denn im Archipel gab es kaum freie Geister. Dennoch hoffte Merani, dieWesenheit, die sich Argeela als Wirt ausgesucht hatte, einfangen und verhören zu können.
Als sie die ersten Worte der Zauberformel sprach, bemerkte Merani, wie ein etwas mehr als handgroßer Fleck auf Argeelas Schulter erschien und sich auf deren Rücken zurückzog, so als habe er Angst vor ihr. Sie verstärkte ihren Zauber und spürte, wie das Wesen mehr und mehr in die Enge getrieben wurde.
»Gleich haben wir es«, raunte sie Argeela und Careedhal zu.
Während ihre Freundin mit zusammengekniffenen Augen dastand und aussah, als schwanke sie zwischen Angst und der Hoffnung, ihren weißen Untermieter rasch loszuwerden, nickte Careedhal erleichtert. »Der Geist ist schwächer, als ich vermutet habe!«
Seine Bemerkung verärgerte Merani, denn das hörte sich so an, als sei die Beschwörungszeremonie ein Zuckerschlecken. Dabei hatte Yanga ihr erzählt, wie gefährlich solche Geister sein konnten. Außerdem wollte sie nicht irgendetwas Harmloses fangen, sondern einen starken Geist, mit dem sie selbst Yangas Achtung und die ihrer Mutter erringen konnte.
Sie wandte den Zauber jetzt mit aller Kraft an und sah durch Argeela hindurch den Geist, der sich unter ihren Beschwörungen wie ein Wurm wand. Besonders stark schien er wirklich nicht zu sein, doch ließ Merani sich von ihrer Enttäuschung nicht hinreißen, das Ritual abzukürzen. Sie wollte sich ihren Freunden gegenüber als große Hexe beweisen.
Ihr Zauber bildete einen runden, schwarz-violett gestreiften Käfig, der sich um
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