Merani und die Schlange unter dem Meer
den weißen Fleck schloss und diesen ganz langsam aus Argeelas Körper hinausdrängte. Merani verkleinerte den Käfig immer mehr, bis der Geist sich nicht mehr rühren konnte. Sie selbst spürte das Weiß, konnte aber die Übelkeit beherrschen, die es in ihr auslöste.
Ihrem Gefangenen ging es nicht so gut. Das Wesen zitterte in seinem magischen Käfig und empfand große Schmerzen, dennMerani hörte ihn mit ihren magischen Sinnen schreien wie ein kleines Kind.
»Auch gut«, dachte sie. »Dann habe ich eben ein Baby gefangen.«
In dem Augenblick schoss Timpo fauchend heran und biss in die magischen Gitterstäbe des Käfigs. Da diese jedoch seinen Zähnen standhielten, wandte er sich Merani zu und biss sie.
»Aua, du Biest!«, rief sie empört und wollte Timpo packen. Der wich ihr geschickt aus und biss erneut zu.
»Elendes Mistvieh!« Für Augenblicke verlor Merani ihre Konzentration und hörte gleichzeitig Careedhals Warnruf.
»Achtung, der Käfig hat eine Lücke!«
Bevor Merani diese schließen konnte, schlüpfte der Geist heraus und schmiegte sich zitternd an Timpo. Nun hatte er die Form eines noch recht jungen Salasa angenommen und schien von Timpo Hilfe gegen die böse Hexe zu erwarten, die ihm eben solche Schmerzen zugefügt hatte.
Verdattert starrte Argeela auf das Geistersalasa, während Merani es am liebsten gepackt und gegen die Wand geschleudert hätte. Zu ihrem Leidwesen funktionierte das jedoch nicht bei einem Geist.
Careedhal begann zu lachen. »So viel Aufwand wegen eines toten Salasa!«
»Es ist kein totes Salasa, sondern der Geist eines solchen«, stellte Merani die Tatsachen klar. Sie war kurz davor zu weinen. Statt eines mächtigen Wesens, wie sie gehofft hatte, war ihr Fang nur ein kleines, vollkommen harmloses Geistertier.
»Was machen wir mit ihm?«, fragte Careedhal. »Wie es aussieht, hat dein Zauber den Geist stabilisiert, und nun sieht er aus wie ein richtiges weißes Salasa.«
»Von mir aus kannst du es in eine Tasche stecken und darin vergessen.« Merani war wütend. Um diesen einen Geist zu fangen, hätte sie keine Zaubersprüche aufsagen, sondern nur den Körper ihrer Freundin mit etwas schwarzer Magie durchfluten müssen.
»Ich glaube, ich lege mich jetzt hin.« Sie wandte den anderen den Rücken zu und bekam dadurch nicht mit, wie Argeela versuchte, das Geistersalasa zu streicheln. Der Astralkörper bot ihrer Hand kaum Widerstand, trotzdem schien es dem Tierchen zu gefallen. Timpo drängte sich an das Geisterwesen, beschnupperte es und stieß fiepende Töne aus, die auf lautlose Weise beantwortet wurden.
»Sieh es positiv, Merani«, sagte Careedhal. »Jetzt hat Timpo wenigstens einen Spielkameraden.«
Die Gedanken seiner Schwester gingen in eine andere Richtung. »Darf ich es behalten?«, fragte sie. Auch wenn dieses Salasa nur ein Geist war und keinen richtigen Körper besaß, war es neben Timpo das einzige seiner Art, das es außerhalb von Runia gab.
»Von mir aus kannst du damit machen, was du willst«, schnaubte Merani.
Argeela sah sie verwundert an. »Was hast du denn? Es ist doch alles gut gegangen!«
»Unsere große, mächtige Hexe ist gekränkt, weil sie kein fürchterliches weißes Spitzohr gefangen hat, sondern nur ein Tierchen. So etwas ist unter ihrer Würde«, warf Careedhal spöttisch ein.
»Wenn du Streit willst, kannst du ihn haben!« Merani verdrängte, dass sie bei Streitigkeiten nicht zaubern sollte, und sammelte ihre Kräfte, um ihm eine magische Ohrfeige zu verpassen.
Da erscholl von oben ein Ruf. »Merani! Kannst du mal hochkommen?«
»Bin schon unterwegs!« Merani schoss aus ihrer Kabine und hastete den Aufgang zum Deck hoch. Oben versuchten die Matrosen, ein zerfetztes Segel zu bergen, das wild im stürmischen Wind schlug. Kip trat neben sie und zeigte nach oben. »Kannst du das Segel mit deinen Kräften festhalten, damit die Jungs es herunterholen können?«
»Ich tue mein Bestes!« Merani suchte sich einen Platz an Deck, an dem sie sich gut festhalten konnte, und setzte ihre Levitationskünste ein. Bis jetzt hatte sie nur Gegenstände mit Geisteskraft bewegt,die irgendwo herumlagen. Nun aber musste sie das flatternde Segel bändigen, und damit tat sie sich schwer. Aber ihr Eingreifen ermöglichte es Kipan und einem Matrosen, das zerfetzte Tuch zu fassen und von den Rahen loszubinden. Zwei weitere Matrosen holten das Ersatzsegel, während der letzte Seemann dem Großadmiral half, das Steuer festzuhalten.
»Danke!«, rief Kipan Merani zu,
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