Merani und die Schlange unter dem Meer
sie ein. Noch existierte die Verbindung zwischen der Violetten und ihrem Riesenleib, auch wenn das Band langsam schwächer wurde. Da sie mit dem Mädchen verbunden war, konnte sie spüren, wie die Maulhöhle in sich zusammenbrach. Auch andere Teile des lang gestreckten Körpers brachen ab und versanken wieder im Wasser, bisschließlich ein etwa fünfzig Meilen langer, mit violetten Kristallen durchsetzter Gebirgszug übrig blieb, dessen Gipfel die höchsten Hügel der neuen Insel um etwa das Dreifache überragten.
Die kleine Lir wimmerte und klammerte sich geistig an die Kristallberge.
»Das darfst du nicht tun!«, flehte Merani sie an. »Du gehörst jetzt zu uns. Deine Götterfarbe ist violett, und du hast einen neuen Körper. Hast du mich verstanden?« Letzteres klang ziemlich eindringlich, denn die Erschütterungen, die die niederbrechenden Stein- und Kristallmassen verursachten, ließen hohe Wellen entstehen. Das Wasser schoss über das Land und drohte sogar Hekendialondilans Boot mit sich zu reißen. Das Schifflein bildete jedoch rasch einen Anker und hielt sich damit fest, bis die Flut wieder abgelaufen war und sich in der Ferne verlor.
»Das war knapp! Wäre das Wasser nur eine Manneslänge höher aufgelaufen, hätte es uns erwischt.« Die Magierkaiserin stieß erleichtert die Luft aus den Lungen und begann, da ihr nichts anderes mehr einfiel, ein Kinderlied zu singen. Zu ihrer Erleichterung wurde die Violette ruhiger. Auch Tenaril beruhigte sich nun und überließ sich Sirrins heilenden Kräften.
9
Einige Zeit später lagen die beiden Mädchen matt, aber unversehrt auf einem Lager, das man ihnen aus Decken und Polstern gebaut hatte. Während Tenaril sichtlich erleichtert war, wirkte ihr violettes Ebenbild eher unsicher. Mehrfach tastete sie mit ihrer Linken über ihr Gesicht und ihren Körper, während sie mit der Rechten Tenarils Hand fest umklammert hielt.
Als Qulka ein paar Pfannkuchen brachte, nahm Sirrin sie ihrsofort ab. Die Magierin schlang die Fladen hinab, als sei sie am Verhungern, und bat dann um Wasser. Da Hekendialondilan ihren Kristalleimer mitgebracht hatte, um alle mit sauberem Trinkwasser zu versorgen, erfüllte sie Sirrins Wunsch und reichte ihr das bis zum Rand gefüllte Gefäß.
»Danke«, sagte die Magierin, setzte den Eimer an den Mund und leerte ihn, ohne auch nur einmal abzusetzen.
Anih beobachtete sie schaudernd und fragte ihren Mann, ob alle Magier beim Essen und Trinken so maßlos wären.
»Zaubern kostet viel Kraft, und die Hexe Sirrin hat sich stark verausgabt«, erklärte Kip seiner Frau. »Das Essen wird bei Hexen und Zauberern schneller umgewandelt als bei normalen Leuten. Auf diese Weise ersetzen sie die verbrauchten Kräfte. Aber wenn ich mir die Hexe Sirrin so ansehe, so wird sie noch einige Tage brauchen, bis sie wieder auf den Beinen ist.«
»Bei der Menge, die sie in sich hineinschlingt, würde ich auch Tage brauchen, bis ich wieder auf die Beine komme!« Trotz ihrer Verwunderung half Anih Qulka, die ausgelaugte Sirrin und deren Helferinnen zu versorgen. Dabei reichte sie auch dem violetten Mädchen Wasser und einen leichten Brei. Um die grüne Tenaril machte sie jedoch einen weiten Bogen, obwohl deren Farbe sich weitaus sanfter anfühlte als die der Malvoner, denen sie am Hofe von Ilynrah begegnet war.
»Haben wir es geschafft? Oder kommen noch weitere Probleme auf uns zu?«, wollte Merani von ihrer Mutter und Sirrin wissen.
Die violette Magierin schüttelte den Kopf. »Nein, es ist noch nicht alles erledigt. Zwar hat die Lir ihren neuen Körper angenommen, aber noch ist die Gefahr nicht vorbei. Sie ist magisch ungeheuer stark, hat aber das Wissen eines kleinen Kindes und kann ihre Kräfte noch nicht beherrschen. Außerdem müssen wir uns um die Geisterballung kümmern. Zum Glück hängt diese immer noch ein wenig von Tenarils Gemütszustand ab und hat sich im Augenblick beruhigt. Dazu müssen wir prüfen, ob die gelbe Kriegsmagie amMeeresgrund noch immer eine Gefahr für den Lir-Körper darstellt. Aber da sich im Augenblick keine neuen Stürme bilden, sollten wir als Nächstes gegen Gynrarr und seine Anhänger vorgehen, damit wir ›Giringars Hammer‹ in unsere Hände bekommen.«
Die Erwähnung des Stahlschiffes erinnerte sowohl Merani wie auch Mera schmerzhaft an die Invasoren, die über Gurrland hergefallen waren.
»Ich muss wissen, wie es zu Hause steht«, erklärte die Magierkaiserin und eilte in die Höhle, in der der Feuerthron stand. Ihre
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