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Merani und die Schlange unter dem Meer

Merani und die Schlange unter dem Meer

Titel: Merani und die Schlange unter dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ihr.
    »Innerhalb des Schirmes von Runia kann uns doch kein magischer Sturm etwas anhaben«, antwortete Hekendialondilan.
    Sie wusste jedoch selbst, dass ihr Boot nicht auf sie hören würde,denn ihre Mutter hatte ihm befohlen, sich nicht weit vom Ufer zu entfernen. Dabei verspürte Hekendialondilan den Wunsch, mindestens so weit auf die See hinauszufahren, bis die letzte Insel Runias hinter dem Horizont verschwunden war. Doch sie hatte ihre Mutter am Morgen vergebens darum gebeten, sich weiter von der Hauptinsel entfernen zu dürfen.
    »Du bleibst in der Nähe, so dass ich dich jederzeit zurückholen kann«, hatte diese ihr erklärt und den Radius, in dem das Boot fahren durfte, noch stärker eingeschränkt.
    »Es ist zum Verrücktwerden!«, rief Hekendialondilan laut aus, wie es eigentlich nicht die Art ihres Volkes war. Sie hatte diesen Ausdruck von ihren Freunden Mera, Kip und Girdhan gehört. Was verrückt genau bedeutete, verstand sie zwar nicht, aber es musste etwas mit unangenehmen Situationen zu tun haben – und die jetzige Situation erschien ihr mehr als unangenehm.
    »Ich soll mich vor magischen Stürmen in Acht nehmen, obwohl diese den Schirm von Runia ebenso wenig durchdringen können wie diese Fremden mit ihrem schwarzen Schiff aus Eisen«, machte sie ihrem Unmut Luft.
    »Ich finde, wir sollten wieder zur Deltamündung zurückkehren und den Fluss hochfahren. Der große See ist derzeit ein besseres Segelrevier als der Ozean«, schlug das Boot vor.
    Hekendialondilan schüttelte sofort den Kopf. »Das kommt nicht in Frage. Ich will hier segeln!«
    Das Boot seufzte. »Deine Mutter hat dir doch gesagt, dass das viel zu gefährlich ist!«
    »Was sollte mir hier gefährlich werden? Wir befinden uns innerhalb des Schirmes von Runia, und den hat nicht einmal dieser grässliche Wassuram vor tausend Jahren durchbrochen.«
    »Deine Mutter hat gesagt …«, wiederholte das Boot. Hekendialondilan schaltete ihre Ohren auf Durchzug. Zwar war sie für eine Runi noch sehr jung, aber deswegen musste ihre Mutter sie doch nicht so behandeln, als wäre sie eben erst geboren worden.
    »Ich will zu dieser Insel dort drüben«, erklärte Hekendialondilan und zeigte auf ein dem Südwestkap vorgelagertes Eiland.
    »Deine Mutter würde dir das nicht erlauben!«
    Obwohl das Boot versuchte, bestimmt zu klingen, spürte das Runimädchen, dass ihre Mutter einen solchen Ausflug nicht kategorisch ausgeschlossen hatte. Da es sie reizte, die Grenzen auszuloten, die ihr gesetzt worden waren, befahl sie dem Boot noch einmal nachdrücklich, zu jener Insel zu segeln.
    »Aber was ist mit dem magischen Sturm und diesem bösen schwarzen Schiff?«, fragte das Boot. Da Hekendialondilan fest blieb, wendete es mit einem beinahe menschlich klingenden Seufzen den Bug und stellte die Segel so auf, dass es schnell wie ein Pfeil über die Wogen flog. »Beklage dich aber nicht, wenn deine Mutter mit dir schimpft, und mit mir dazu!«
    Hekendialondilan beachtete ihr meckerndes Schiffchen nicht mehr, sondern griff mit ihren magischen Sinnen nach vorne, entdeckte aber nichts, was auf eine Gefahr hindeuten konnte. Für sie schien es noch eine wunderschöne Segelfahrt unter einem von einem feinen Goldschimmer bedeckten blauen Himmel zu werden. Als sie hochblickte, fragte sie sich, weshalb der Himmel gerade diese Farbe aufwies. Hier über Runia hätte er eigentlich weiß sein müssen. Darüber hatte sie noch nie nachgedacht, und sie beschloss, mit ihrer Mutter darüber zu reden.
    »Also kehren wir um?«, fragte das Boot hoffnungsvoll.
    »Nein!« Allmählich verlor das Runimädchen die Geduld mit ihrem Schiffchen. Es stellte sich so ängstlich an wie eine Salasa-Mutter mit ihren Jungen.
    Die Insel kam rasch näher, und weiter im Süden sah Hekendialondilan den magischen Schirm von Runia mehrmals weiß aufleuchten. Anscheinend brachen sich die Ausläufer eines magischen Sturmes an ihm wie Wellen an einem Felsen. Sie fühlte keine Angst. Solange der Schirm hielt, konnte ihr nichts passieren, und selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten und er berstenwürde, war ihr Boot schnell genug, um rechtzeitig das rettende Ufer zu erreichen.
    »Du siehst ja selbst, wie gefährlich es ist, hier herumzusegeln«, meldete sich das Boot, das den Kampf mit seiner Herrin noch nicht verloren gab. Bevor Hekendialondilan antworten konnte, hörte sie nicht weit vor sich ein keckerndes Lachen. Ein Treiberfisch schnellte aus dem Wasser, schlug einen Salto in der Luft und tauchte

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