Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
wecken. Wenn sie meine Gäste nicht in Gefahr gebracht hätten, würde ich niemals etwas gegen sie unternehmen.«
Vampirpolitik, dachte ich . Menschen, Werwölfe oder Vampire, das ist alles gleich; bring mehr als drei von ihnen zusammen, und sie rangeln sofort um die Machtpositionen.
Mit dieser Situation kannte ich mich aus. Ältere Wölfe zogen sich oft aus der sich so schnell verändernden Welt zurück, und einige lebten wie Eremiten in ihren Höhlen und kamen nur zur Jagd heraus. Irgendwann verloren sie dann auch daran das Interesse. Es klang, als habe Marsilia sich in einem ähnlichen Zustand befunden. Offenbar fanden einige Vampire es ganz in Ordnung, von ihrer Herrin vernachlässigt zu werden, aber Stefan nicht. Dieser Andre klang, als wisse er nicht, auf welcher Seite er stand. Ich befand mich selbstverständlich auf der Seite, auf welcher man in Ruhe gelassen wird.
»Die Herrin hat mich auch beauftragt, dir etwas zu geben«, sagte Andre gerade zu Stefan.
Es gab ein Geräusch wie das Krachen einer Kugel, und Stefan taumelte plötzlich gegen den Bus, eine Hand am Gesicht. Erst als die schwache Rötung eines Handabdrucks auf seiner Wange erschien, wurde mir klar, was geschehen war.
»Ein Vorgeschmack«, sagte Andre. »Heute hat sie zu tun,
aber morgen wirst du in der Abenddämmerung vorbeikommen. Du hättest ihr sagen sollen, was Mercedes Thompson ist, als du es erfahren hast. Du hättest die Herrin warnen sollen, damit sie es nicht selbst herausfinden musste, als der Walker sich gegen ihre Magie stellte. Du hättest sie nicht hierher bringen dürfen.«
»Sie hat keinen Pfahl und kein Weihwasser mitgebracht.« Stefan ließ sich nicht anmerken, ob der Schlag ihn gestört hatte. »Sie stellt keine Gefahr für uns dar – sie versteht kaum, was sie ist, und es gibt niemanden, der es sie lehrt. Sie jagt keine Vampire und greift auch die, die sie in Ruhe lassen, nicht an.«
Andre riss den Kopf schneller herum, als jemand es können sollte, und sah mich an. »Stimmt das, Mercedes Thompson? Sie jagen uns nicht?«
Ich war müde, machte mir Sorgen um Samuel und war irgendwie überrascht, meine Begegnung mit Signora Marsilia und ihren Leuten unversehrt überlebt zu haben.
»Ich jage nur hin und wieder einen Hasen, eine Maus oder einen Fasan«, sagte ich. »Jedenfalls bis zu dieser Woche.« Und wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte ich diesen letzten Satz nie von mir gegeben.
»Und was ist mit dieser Woche?« Es war Stefan, der das fragte.
»Kürzlich habe ich zwei Werwölfe umgebracht.«
»Sie haben zwei Werwölfe getötet?« Andre warf mir einen Blick zu, den man kaum als schmeichelhaft bezeichnen konnte. »Ich nehme an, Sie mussten sich verteidigen und hatten zufällig eine Waffe dabei.«
Ich schüttelte den Kopf. »Einer von ihnen war mondsüchtig – er hätte jeden in seiner Nähe umgebracht. Ich habe ihm die Kehle aufgerissen, und er ist verblutet. Den anderen habe ich erschossen, bevor er den Alpha umbringen konnte.«
»Ihm die Kehle aufgerissen?«, murmelte Stefan, während Andre eindeutig nicht wusste, was er glauben sollte oder nicht.
»Ich war in Kojotengestalt und versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen, damit er mich jagte.«
Stefan sah mich stirnrunzelnd an. »Werwölfe sind schnell.«
»Das weiß ich«, sagte ich gereizt. »Aber ich bin schneller.« Ich musste an die wilde Jagd mit Brans Gefährtin denken und fügte hinzu: »Meistens jedenfalls. Ich hatte nicht vor, ihn umzubringen –«
Jemand schrie auf und unterbrach mich. Wir warteten, aber es wiederholte sich nicht mehr.
»Ich sollte mich lieber um die Signora kümmern«, sagte Andre und war dann einfach verschwunden.
»Ich fahre«, sagte Stefan. »Du solltest hinten bei Dr. Cornick bleiben, damit jemand, dem er vertraut, bei ihm ist, wenn er aufwacht.«
Ich gab ihm die Schlüssel und sprang in den Bus.
»Was wird passieren, wenn er wach wird?«, fragte ich, als ich mich auf den Rücksitz niederließ und Samuels Kopf hob, um ihn in meinen Schoß zu legen. Meine Hand strich über sein Haar und seinen Nacken. Seine Halswunden waren bereits verschorft und rau unter meiner leichten Berührung.
»Vielleicht gar nichts«, sagte Stefan, setzte sich auf den Fahrersitz und ließ den Bus an. »Aber manchmal reagieren sie nicht gut. Signora Marsilia hat einmal Wölfe einer normaler Beute vorgezogen – deshalb hat sie ihren Platz in Italien verloren und wurde hierher geschickt.«
»Ist es tabu, sich von Werwölfen zu
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