Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
Pfotenabdrucks. Er musste ihn gesehen
haben, als ich wieder in meine Kleidung schlüpfte. Ich habe auch ein paar Tätowierungen auf meinen Armen.
»Karen, mit der ich im College ein Zimmer teilte, hatte Kunst als Hauptfach. Sie verdiente sich ihr Geld damit, Leute zu tätowieren. Ich half ihr bei der Vorbereitung auf ihre Chemieprüfung, und sie bot mir im Austausch dagegen ein kostenloses Tattoo an.«
Die beiden Jahre zuvor bei meiner Mutter hatte ich mit dem angestrengten Versuch verbracht, die perfekte Tochter zu sein, weil ich befürchtete, meinen Platz in meinem zweiten Zuhause so schnell zu verlieren wie den im ersten. Mir wäre nie etwas so Ungeheuerliches eingefallen, wie mich tätowieren zu lasen.
Mutter gibt immer noch Karen die Schuld dafür, dass ich meinen Abschluss vom Ingenieurswesen zur Geschichte verlagerte und hält das für direkt verantwortlich für meine derzeitige Beschäftigung. Wahrscheinlich hat sie damit sogar recht, aber ich bin mit diesem Leben sicher zufriedener, als ich als Bauingenieurin gewesen wäre.
»Sie gab mir ein Buch mit Tätowierungsfotos, das sie zusammengestellt hatte, und dort befand sich etwa auf halbem Weg das Bild von jemandem, der auf dem Rücken von einer Hüfte zur gegenüber liegenden Schulter mit Wolfspfoten-Abdrücken tätowiert war. Ich wollte etwas Kleineres, und wir haben uns auf diesen einzigen Pfotenabdruck geeinigt.«
Mutter und ihre Familie wussten selbstverständlich, was ich war, aber sie hatten keine Fragen gestellt, und ich hatte mein Kojoten-Ich vor ihnen verborgen und versucht, zu jemandem zu werden, der besser in ihr Leben passte. Kojoten sind sehr anpassungsfähig.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich den Rücken des Mannes auf dem Foto angestarrt und begriffen hatte, dass ich
mich zwar vor allen anderen verstecken musste, es aber nicht mehr vor mir selbst tun konnte. Also hatte ich Karen die Tätowierung mitten auf meinem Körper anbringen lassen, wo ich mein Geheimnis schützen konnte. Ich hatte schließlich zu genießen begonnen, was ich war, statt mir zu wünschen, ich wäre ein Werwolf oder ein Mensch, um besser in die Welt zu passen.
»Es ist ein Kojotenabdruck«, sagte ich entschlossen »Nicht der eines Wolfs.«
Er grinste mich an und steckte wieder den Kopf aus dem Fenster, diesmal gefolgt von den Schultern.
»Wenn du so weitermachst, wirst du noch rausfallen.«
12
D as Rudel ist hier«, sagte ich zu Samuel, als wir langsam an Warrens Haus vorbeifuhren, um die Lage zu checken. »Ich weiß nicht, woran du dich erinnerst, aber Warren hat telefonisch um Hilfe gebeten. Adam schläft offenbar tief und fest und kann nicht aufgeweckt werden.« Nachdem Samuel in Sicherheit war, konnte ich mir auch wieder um Adam Sorgen machen. »Ist das normal?«
Samuel nickte, und eine Welle der Erleichterung überrollte mich. Ich räusperte mich. »Da wir dem Rudel nicht trauen können, wird Warren wohl versuchen, sie von Adam fernzuhalten – was in Ordnung wäre, wenn man einmal davon absieht, dass Darryl Adams Stellvertreter ist.« Und dieser Umstand würde einen Kampf unausweichlich machen.
Samuel hatte mir erzählt, die durchschnittliche Lebenserwartung eines Werwolfs betrage trotz seiner körperlichen Vorzüge nach seiner ersten Verwandlung nur noch zehn Jahre. Leute wie mein alter Freund Dr. Wallace, die innerhalb ihres ersten Jahrs eliminiert werden mussten, leisteten natürlich ihren Beitrag zu diesen Zahlen. Aber die meisten Werwölfe starben bei Dominanzkämpfen mit anderen Wölfen.
Ich wollte ganz bestimmt nicht, dass Warren oder auch Darryl heute Nacht starben – wenn das geschah, würde es
mein Fehler sein. Ohne meine Paranoia, dass etwas mit dem Rudel nicht stimmte, würde Warren überhaupt nicht versuchen, Darryl von Adam fernzuhalten.
Es war still in Richland, aber an beiden Seiten der Straße von Warrens Block parkten Autos. Ich erkannte Darryls 67er Mustang, als ich daran vorbeifuhr. Das Rudel war schon da. Ich parkte den Bus einen Block entfernt und eilte zusammen mit Samuel zurück.
Unter dem Verandadach vor Warrens Tür stand eine Frau. Ihr nachtschwarzes Haar war zu einem taillenlangen Pferdeschwanz gebunden. Sie verschränkte die muskulösen, schlanken Arme und stellte sich ein wenig breitbeiniger hin, als sie mich sah. Sie war Chemielehrerin an der Richland High und Darryls Gefährtin.
»Aurelie«, sagte ich und ging die Treppe hinauf, bis ich neben ihr auf der Veranda stand.
Sie schaute mich verächtlich an. »Ich habe ihm
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