Mercy-Thompson 03 - Spur der Nacht-retail-ok
manchmal so auf die Nerven gingen: Es hielt die Leute am Leben.
»Du solltest die Polizei und die Schule anrufen und sie warnen«, sagte Honey. »Damit niemand verletzt wird.«
»Macht eine Vorführung draus«, schlug Gabriel vor. »Ruft Jesses Biologielehrer an – oder nimmst du einen Kurs in Gegenwartskunde? Das wäre noch besser. Du kannst deine Mitschüler mit nach draußen nehmen und ihnen eine persönliche Begegnung mit einem Werwolf anbieten. Gleiche Wirkung, aber weniger peinlich für Jesse.«
Adam lächelte und zeigte dabei viele Zähne. »Das gefällt mir.«
Jesses Stimmung hellte sich ein wenig auf. »Vielleicht wird das sogar meine Note verbessern.«
»Die Schule wird sich niemals darauf einlassen«, wandte Darryl ein. »Das Risiko, dass etwas passieren könnte, ist einfach zu groß.«
»Ich werde mich erkundigen«, sagte Adam.
Jesse war ein bisschen blass, aber nicht ernsthaft verletzt. Eine heiße Dusche würde gegen die Schmerzen helfen – und sie musste sich duschen, bevor ihr Vater sich genug beruhigte, um zu erkennen, dass sie ihm gar nicht zu sagen brauchte, wer sie angegriffen hatte. Wenn ich
die Witterung der Angreifer aufnehmen konnte, konnte er das ebenfalls.
Ich bedachte alle mit einer geringschätzigen Geste – Gabriel, Adam und die Werwölfe. »Geht runter und arbeitet daran«, sagte ich. »Ich will mir einige von diesen blauen Flecken noch genauer ansehen, damit ich sicher sein kann, dass Samuel nicht rüberkommen und sie untersuchen sollte.«
Ich nahm Jesse an der Hand. »Wir benutzen Adams Bad …« Ich konnte mich nicht wirklich erinnern, ob er ein eigenes Bad hatte, aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass dieses Haus keine Elternschlafzimmer-Suite haben würde, und außerdem war er mit einem Waschlappen aus seinem Schlafzimmer gekommen. »Da Adam begonnen hat, dieses hier umzubauen.« Mein Tonfall mochte ein wenig scharf sein, aber solange Adam sauer auf mich war, würde er wenigstens nicht daran denken, Jesses Angreifer zu finden.
Jesse folgte mir durch einen Flur voller Leute und in Adams Schlafzimmer. Auf der anderen Seite gab es eine offene Tür, die nur ins Bad führen konnte. Ich zog sie herein und schloss die Tür.
Dann flüsterte ich sehr, sehr leise: »Du musst duschen und den Geruch loswerden, bevor er deinem Vater auffällt – falls das nicht schon längst passiert ist.«
Sie riss die Augen auf. »Kleidung?«, formten ihre Lippen.
»Alles«, sagte ich.
Sie warf ihren Tennisschuhen einen bedauernden Blick zu, aber dann drehte sie die Dusche auf und stieg in die große Kabine, mit Schuhen und allem.
»Ich hole saubere Sachen«, sagte ich.
Adam kam mir an der Tür zum Flur entgegen. Er wies mit dem Kinn zum Bad, wo man hören konnte, dass jemand duschte. »Geruch«, sagte er.
»Ihre Sachen waren sehr schmutzig«, erwiderte ich ein wenig selbstzufrieden. »Selbst ihre Schuhe.«
»Sch –« Er bremste sich, bevor er das Wort beenden konnte. Adam war ein wenig älter, als er aussah. Er war in den 50er-Jahren aufgewachsen, wo ein Mann solche Worte nicht in Gegenwart von Frauen benutzte. »Scheibenkleister«, sagte er schließlich, aber das Wort gab ihm eindeutig nicht die Befriedigung, die er haben wollte.
Ich erinnerte mich daran, dass mein Pflegevater die bösen Wörter auch immer umschrieben hatte.
Adam schloss die Augen und lehnte die Stirn gegen den Türrahmen.
»Es wird teuer werden, wenn du noch eine Wand herausbrichst«, sagte ich hilfreich.
Er öffnete die Augen und sah mich an.
Ich hob resigniert die Hände. »Na gut. Wenn du die Innung der Zimmerleute und Schreiner unterstützen willst, ist das deine Sache. Und jetzt beweg dich, ich habe Jesse gesagt, ich würde ihr frische Sachen bringen.«
Er trat mit übertriebener Höflichkeit zur Seite. Aber als ich an ihm vorbeiging, versetzte er mir einen Schlag aufs Hinterteil. Fest genug, dass es brannte.
»Du musst vorsichtiger sein«, knurrte er. »Wenn du dich weiter in meine Angelegenheiten einmischst, könnte dir etwas zustoßen.«
Ich ging weiter zu Jesses Zimmer und flötete: »Der letzte Mann, der mir einen solchen Klaps versetzt hat, verwest derzeit in seinem Grab.«
»Daran habe ich keine Zweifel.« Er klang eher zufrieden als reuevoll.
Ich wandte mich ihm zu, trotz seiner gelben Augen.
»Ich denke daran, ein Ersatzteilauto für VW Passats zu kaufen. Ich habe auf dem Feld noch viel Platz.«
Falls uns jemand belauschte, hätte er meine letzte Bemerkung wohl für vollkommen
Weitere Kostenlose Bücher