Mercy Thompson 04 - Zeit der Jäger-retail-ok
lassen.« In den letzten zwei Worten lag ein Abgrund von Frustration, und er riss die Flinte hoch, warf sie sich beiläufig über die Schulter und fing an, auf und ab zu wandern.
Zum ersten Mal wirkte er für mich wie das, was er war. Irgendwie hatte er vorher gewirkt wie ein Statist in einem Dickens-Film – voller Glanz und Gloria und sonst nicht viel. Jetzt, in Bewegung, sah er aus wie ein Raubtier, seine edwardianische Fassade nichts als eine dünne Haut, unter der sich sein wahres Gesicht verbarg.
Estelle hatte mich immer nervös gemacht, aber ich stellte gerade fest, dass ich vor Bernard bis jetzt keine Angst gehabt hatte.
Stefan schwieg, während Bernard weiter seine Tiraden losließ. »Er war am Ende schlimmer als Marsilia. Er hat dieses Ding … diese unkontrollierbare Abartigkeit in unsere Mitte gebracht.« Er schwieg kurz und starrte mich an. Ich senkte sofort die Augen, aber ich konnte fühlen, wie sein Blick sich in meine Haut brannte. »Es ist gut, dass dein Schaf das Ding getötet hat, obwohl Marsilia das nicht so sehen konnte. Es hätte unser Verderben über uns gebracht – und sie hat uns einen zweiten Gefallen getan, indem sie Andre tötete.«
Er schwieg wieder, aber sein Blick ruhte immer noch auf mir, grub sich durch mein Fell, um wirklich mich zu sehen. Es war ungemütlich und beängstigend.
»Wir würden sie leben lassen. Und wenn Marsilia ihren
Willen bekommt, dann ist sie tot – genau wie deine letzte Herde.« Bernard wartete, um das einsinken zu lassen. »Marsilia hat Lakaien, die auch tagsüber arbeiten … Zur Hölle, mit den gekreuzten Knochen an der Tür ihrer Werkstatt, die sie als Verräter an uns allen ausweisen, wie lange, glaubst du, kann sie überleben? Goblins, die Aasfresser – es gibt viele von Marsilias Verbündeten, die tagsüber jagen.«
»Sie ist die Gefährtin des Alphas. Die Wölfe werden sie beschützen, wenn ich es nicht kann.«
Bernard lachte. »Es gibt ein paar unter ihnen, die sie noch schneller töten würden als Marsilia. Ein Kojote. Ich bitte dich.« Seine Stimme wurde sanfter. »Du weißt, dass sie sterben wird. Wenn Marsilia sie schon umbringen wollte, weil sie Andre getötet hat, was glaubst du, wie sie jetzt denkt, wo du den Kojoten zu dem Deinen gemacht hast? Sie will dich nicht, aber unsere Herrin war schon immer eifersüchtig. Und du hast diese hier jahrelang beschützt, während du uns eigentlich hättest sagen müssen, dass ein Walker unter uns lebt. Du bist für sie Risiken eingegangen – was wäre passiert, wenn ein anderer Vampir bemerkt hätte, was sie ist? Marsilia weiß, dass sie dir etwas bedeutet, mehr als die Schafe, von denen du dich genährt hast. Im Endeffekt wird Mercedes sterben, und das wird deine Schuld sein.«
Bei diesem Satz zuckte Stefan zusammen. Ich musste ihm nicht ins Gesicht sehen, um es zu bemerken, weil ich seine Bewegungen an meinem Körper fühlte.
»Marsilia muss sterben, oder Mercy wird es tun«, sagte Bernard. »Wen liebst du, Soldat? Diejenige, die dich gerettet hat, oder diejenige, die dich fallengelassen hat? Wem dienst du?«
Er wartete, und ich tat dasselbe.
»Sie war eine Närrin, dich am Leben zu lassen«, murmelte Bernard. »Es gab zwei, denen sie anvertraut hat, wo sie schläft. Andre ist tot. Aber du weißt es, oder? Und du erhebst dich eine volle Stunde vor ihr. Du kannst dafür sorgen, dass das kein blutiger Kampf mit vielen Toten wird. Wer wird sterben? Lily, unsere begabte Musikerin, das ist fast sicher. Estelle hasst sie, weißt du – sie ist talentiert und schön, und Estelle ist nichts davon. Und Marsilia liebt sie. Lily wird sterben.« Dann lächelte er. »Ich würde sie ja selbst umbringen, aber ich weiß, dass sie auch dir etwas bedeutet. Du könntest sie vor Estelle beschützen, Stefan.«
Und er nannte weitere Namen. Niedrigere Vampire, dachte ich, aber Leute, die Stefan wichtig waren.
Als er fertig war, schaute er in Stefans unbeugsames Gesicht und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Stefan, in Gottes Namen. Was tust du? Du gehörst nirgendwohin. Sie will dich nicht. Sie hätte das nicht deutlicher machen können, wenn sie dich sofort getötet hätte. Estelle ist töricht. Sie glaubt, dass sie herrschen kann, wenn Marsilia nicht mehr ist. Aber ich weiß es besser. Keiner von uns ist stark genug, um die Siedhe zusammenzuhalten, außer wir arbeiten zusammen – aber das werden wir nicht. Es gibt keine Verbindungen zwischen uns, keine Liebe, und das ist der einzige Weg, wie zwei fast gleich
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